Bestseller in der Türkei indiziert

■ „Porno–Kommission“ verbietet Verkauf von türkischem Frauenroman / Die Kommission zum Schutz der Minderjährigen vor schädlichem Schriftentum „schützt“ Familie und Vaterland

Aus Istanbul Ömer Erzeren

Eine kleine Notiz im amtlichen Gesetzesblatt. Die „Kommission zum Schutz der Minderjährigen vor schädlichem Schrifttum“, im Volksmund kurz Porno–Kommission genannt, hat zugeschlagen. Der Roman von Duygu Asena „Die Frau hat keinen Namen“ ist indiziert und darf nicht mehr öffentlich verkauft werden, ohne Begründung. Der Frauenroman, der die patriarchalischen Strukturen in der türkischen Gesellschaft thematisierte, führte seit rund einem Jahr die Bestsellerlisten an. Bis heute sind über 100.000 Exemplare verkauft worden. Seit die Regierung Özal im März 1986 das Gesetz zum „schädlichen Schrifttum“ verabschiedete, wütet die Kommission im literarischen Leben. So verfügte die Kommission, in der unter anderem ein Beamter des Religionsamtes und des Innenministeriums sitzen, in einem Verbotsurteil, „daß Sprache und Stil offenbaren, daß der Roman keinen literarischen Wert trägt“. Sie legt fest, was die „nationalen, moralischen, kulturellen Werte der türkischen Nation“ sind, und verbannt Schriften, die nicht „Familie und Vaterland lieben“. Ursprünglich verkündet als Gesetz gegen die Pornographie, erweist sich der Paragraph als polit–literarisches Zensurgesetz. Gegen Zeitschriften ergingen Strafen von mehreren Millionen Mark, Bücherverbrennungen wurden verfügt, wissenschaftliche Ab handlungen in undurchsichtige Plastikfolien verbannt. Empört reagierten Verleger, Autoren und Presse auf die Indizierung des Bestsellers. Frauengruppen protestierten gegen die Indizierung des feministischen Romans. Frauenverachtend sind die Verbotsbegründung allemal: „Das Sexualorgan des Mannes trägt zur Vermehrung bei und verschafft dem Mann Genuß. Das Sexualorgan der Frau ist erschaffen, um die Funktionen des männlichen Sexualorgans zu erfüllen.“ So liest sich die Indizierung eines Sachbuches von Dr. Aslan Yüzgün zur Homosexualität.