Israelische Siedler über Armee empört

■ Siedler widersprechen der Darstellung der Armee, daß der israelische Teenager durch die Kugel aus dem Gewehr eines Siedlers getötet wurde / Forderung nach „Auslöschen“ des arabischen Dorfs Beita / Siedler wollen Freibrief für den Einsatz von Waffen

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die Erschießung der Tochter eines israelischen Siedlers bei dem palästinensischen Dorf Beita in der vorigen Woche hat nunmehr die Siedler auf Konfrontationskurs gegen die israelische Armee gebracht. Nach der Veröffentlichung des offiziellen Berichts der Armee zu dem Vorfall erklärten die Siedler am Sonntag in einer Pressekonferenz ihrerseits, daß die Darstellung der Armeeführung tendenziös oder falsch sei und daß das Mädchen von Palästinensern er schossen worden sei. Gleichzeitig forderten sie die Entlassung des Generalstabschefs Dan Shomron und des Kommandeurs der Besatzungstruppen in der Westbank, General Mizna. Die Armeeführung beharrt allerdings auf der Version, daß ausschließlich Roman Aldoubi, ein Wachmann aus der Siedlung Elon Moreh, die Schüsse abfeuerte. Nach Einschätzung der Armee ist es - im Widerspruch zu den Behauptungen der Siedler - einigen palästinensischen Bewohnern des Dorfes zugutehalten, daß nicht noch mehr „jüdisches Blut“ vergossen wurde, indem die Dörfler Siedlerkinder in Schutz nahmen. Dem als Extremisten bekannten Aldoubi war es seit dem Sommer von den Besatzungsbehörden verboten worden, die Westbank zu betreten. In Nablus hatte er versucht, mit provokativen Aktionen eine jüdische Siedlung zu gründen. Nach Ansicht israelischer Kommentatoren ist es der Armee zwar gelungen, mit der Veröffentlichung des Berichts ihre eigene Glaubwürdigkeit für die israelische Öffentlichkeit zu erhalten, gleichzeitig muß sie ab jetzt aber an mehreren Fronten kämpfen: Neben der Niederschlagung des palästinensischen Aufstands, der „Intifada“, sieht sie sich auch an der „Heimatfront“ Anfeindungen ausgesetzt. Das Ziel der Siedler ist klar: Sie wollen die Truppen in den besetzten Gebieten unter ihre Befehlsgewalt bringen oder aber die Erlaubnis erhalten, ihre eigenen bewaffneten Kräfte nach Gutdünken einsetzen zu können. In einer Kabinettssitzung forderte Minister Sharon am Sonntag die Einsetzung einer staatlichen Untersuchungskommission zum Vorgehen der Armee in der Kontroverse um den Beita–Fall, die Ausweisung aller palästinensischen Dorfbewohner, die nicht israelische Siedlerkinder beschützt haben. Praktisch das ganze Dorf solle ausgelöscht und an seiner Stelle eine jüdische Siedlung errichtet werden. Nachdem auch der Minister für religiöse Angelegenheiten Zevulun Hammer, selbst einer der Gründer des rechtsradikalen Gush Emunim, die Ausweisung „hunderter Palästinenser“ und weitere jüdische Siedlungen verlangte, bat Premierminister Shamir um eine detailierte und schriftliche Vorlage dieser Forderungen. Unterdessen belagern die Besatzungstruppen weiterhin Beita, zerstörten 14 Häuser angeblicher Steinewerfer und entwurzelten 30 Hektar Olivenhaine des Dorfes, erschossen einen dritten Jugendlichen und verhafteten dutzende. Gegen die Zerstörung von Häusern in Beita hat die israelische Bürgerrechtsvereinigung durch das Oberste Gericht in Jerusalem eine einstweilige Verfügung durchsetzen können und, jedenfalls zunächst, die Sprengung weiterer Gebäude verhindert. INTERVIEW