Mitterrand steht auf Blau–Weiß–Rot Chirac feilscht um Zentimeter

■ Die beiden französischen Präsidentschaftskandidaten vor Gericht

Paris (taz) - Jacques Chirac prozessierte gegen Franois Mitterrand. Was in zwei Jahren „cohabitation“ an der Staatsspitze nicht möglich war, machte der Wahlkampf wahr. Vorbei die Eintracht - endlich stritten sich die beiden souveränen Staatsmänner vor Gericht. Worum gings? Um ihre Lieblingsfarben, Blau–Weiß–Rot natürlich. Man müßte meinen, sie würden für ihre Wahlplakate am liebsten blau–weiß–rote Kriegsbemalung anlegen. Allerdings verbietet das Gesetz solch nationale Exzesse. Die Farben der Trikolore, so heißt es im französischen Wahlgesetz, stehen für den Wahlkampf nicht zur Verfügung. Doch Franois Mitterrand, der immerhin sieben Jahre uneingeschränkt blau–weiß–rot tragen durfte, ist heute - man kann es verstehen - süchtig geworden. Seine Wahlplakate sind deshalb größer als alle anderen, die Stellwände stehen zu dritt nebeneinander, und - man ahnt es schon - das erste Plakat ist blau, das zweite weiß und das dritte ... die Franzosen wissen es. Für Chirac, ganz selbstverständlich, war damit der legale Rahmen gesprengt. Schließlich hatte er sich auf grünem und braunem Hintergrund an die Wände kleben lassen, als sei er seinen Lieblingsfarben untreu geworden. Und außerdem: Mitterrand habe die zulässige Quadratmeterfläche für Plakate überzogen. Statt der 16 Quadratmeter seien es 36. Der Prozeß fand also statt. Am Dienstag, vor einem hohen Pariser Gericht, dem „tribunal de grande instance“. Leider waren nur die Anwälte der beiden Kontrahenten zugegen, und leider konnten sie sich ohne Richterspruch einigen. Francois Mitterrand läßt seine Plakate nun innerhalb von 48 Stunden überkleben, und Chirac gab sich damit zufrieden. Man darf nun gespannt sein, wo die so heiß umstrittenen Farben wieder auftauchen werden. Zu einer nationalen Ansprache wurde Francois Mitterrand bereits einmal mit einem blau–weiß–roten Schlips gesehen. Vielleicht könnte sich Chirac zum bevorstehenden Fernsehduell einen trikoloren Anzug schneidern lassen. „Blau–Weiß–Rot sind alle meine Farben.“ Wer Erfolg haben will, sollte das Lied schleunigst ins Französische übersetzen. Georg Blume