Jahrelang Knast für ein kurdisches Wort

■ Der sozialdemokratische Abgeordnete Eren bringt seine türkischen Parlamentsgenossen in Rage / Er fordert in einem Gesetzentwurf die Aufhebung der kulturellen Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung / Der Mensch hat das Recht, in seiner Muttersprache zu sprechen

Aus Istanbul Ömer Erzeren

Mit bis zu drei Jahren Gefängnis kann in der Türkei bestraft werden, wer dort eine der gebräuchlichsten Sprachen spricht. Denn kurdisch ist verboten. Kurz bevor die türkischen Putschisten sich formell aus der Politik verabschiedeten, setzten sie per Gesetz der kulturellen Unterdrückung der Kurdischen Minderheit die Krone auf. „Gedankenäußerungen und Veröffentlichungen in einer Sprache, die nicht Amtssprache in einem der Staaten ist, mit denen die Türkei diplomatische Beziehungen unterhält, sind verboten“. Ohne die kurdische Sprache zu benennen - so hätte man ihre Existenz anerkannt - war das Kurdische trickreich verboten: Ohne diplomatische Beziehungen zum nicht existenten kurdischen Staat kein Kurdisch in der Türkei. Diesem Zustand will der sozialdemokratische Abgeordnete Kehmet Ali Eren nun ein Ende bereiten und die kurdische Sprache legalisieren. Sein jüngst der Presse vorgelegter Gesetzentwurf zielt auf die Aufhebung des von den Militärs verkündeten Gesetzes. „Die Muttersprache eines Großteils der türkischen Bürger ist kurdisch. Bis heute konnten sie ihre Muttersprache nicht frei sprechen. Unser Gesetzentwurf wird die Hindernisse aus dem Weg räumen. Bis heute mußten sie in Angst und Schrecken ihre Sprache sprechen. Fand man eine kurdische Musikkassette oder eine kurdische Pu blikation, mußten die Besitzer für Jahre ins Gefängnis. Wir werden diesen Menschen ihr Recht, in der Muttersprache zu sprechen, zurückgeben“. Mit dieser einfachen wie einleuchtenden Begründung des Gesetzentwurfes hatte Eren, als „separatistischer Querulant“ im Abgeordnetenhaus verschrien, zur Panik im honorigen Haus beigetragen. Bereits im Januar hatte eine Rede des Abgeordneten, in der er von der „kurdischen Minderheit“ gesprochen hatte, zu Tumulten im Parlament geführt. „Gott verfluche dich“, „Schlagt die Separatisten, wo ihr sie trefft“, schrien Abgeordnete der regierenden Mutterlandspartei. Auch die Mehrheit der sozialdemokratischen Fraktion distanzierte sich vom ungeliebten Parteigenossen. Abgeordnete der Mutterlandspartei sehen bereits durch die Vorlage und Behandlung des Gesetzentwurfs im Parlament die nationale Einheit gefährdet. Seit Gründung der Republik betreibt der türkische Staat eine Assimilationspolitik gegenüber den Kurden, die rund ein Fünftel der Bevölkerung in der Türkei stellen. Während durch den Lausanner Friedensvertrag von 1923 Nicht– Moslems, wie Griechen und Armeniern - sie verfügen heute noch über eigene Schulen - der Minderheitenstatus zugesichert wurde, gingen die Kurden leer aus. Obwohl die Existenz der Kurden bis heute offiziell geleugnet wird, mußte die Regierung Özal in jüngster Vergangenheit Konzessionen an die kurdische Bevölkerung machen. Nach dem großen Hungerstreik im Militärgefängnis Diyarbakir im Februar wurde auf Geheiß des Ministerpräsidenten Özal erlaubt, daß die Gefangenen kurdisch mit ihren des Türkischen nicht kundigen Familienangehörigen sprechen dürfen - laut Gesetz eigentlich verboten. Aus solchen Entwicklungen schöpfen Eren und seine Freunde Mut bei ihrem Versuch, nun auch ganz offiziell die kurdische Sprache zu legalisieren. Auch kurdische Abgeordnete der regierenden Mutterlandspartei wollen den Entwurf unterstützen. Es dürfte aber kaum dazu reichen, das Gesetz im Parlament zu verabschieden. Die meisten Abgeordneten halten sich in dieser Frage lieber an den Rechtsaußen der Mutterlandspartei, Mustafa Tasar: „Es gibt keine Mutterprache namens Kurdisch.“