Schmutziger Krieg fordert neue Opfer

■ Kolumbiens Todesschwadronen ermorden neun Landbesetzer in der riesigen Bananenregion Uraba

Aus Bogota Ciro Krauthansen

Kolumbiens Todesschwadronen haben erneut zugeschlagen. Nachdem am Montag vergangener Woche bei einem Dorffest in La Mejor Esquina im Norden des Landes 28 Kleinbauern niedergemetzelt wurden, verschleppten vorgestern in der Bananenanbaugegend Uraba 30 Uniformierte mindestens 25 Landbesetzer von ihren Feldern und fuhren sie mit Booten aufs Meer hinaus. Danach - so berichten Zeugen - habe man Schüsse gehört. Noch am selben Tag wurden neun Leichen aufgefunden. Bereits am 4. März waren ganz in der Nähe 21 Bananenarbeiter erschossen worden. In dem schon Jahre dauernden Krieg, dem allein 1987 an die tausend und in diesem Jahr bereits über 160 Personen, in ihrer großen Mehrheit einfache Bauern, zum Opfer fielen, ist noch kein einziger Drahtzieher der Todesschwadronen festgenommen worden. Nach Angaben örtlicher Gewerkschafter setzen sich die Kommandos, die in Uraba agieren, aus von Plantagenbesitzern gedungenen Killern und Mitgliedern der Streitkräfte zusammen. Beweise gibt es in der Regel kaum. Denn wer als Zeuge auftritt, unterschreibt meist damit sein Todesurteil. Doch gilt als sicher, daß eine der dort stationierten Armee–Einheiten unter dem Befehl von Gene ral San Miguel Buenaventura systematisch gegen linke Gewerkschafter und Politiker vorgeht. Dies erklärt auch, weshalb die Killer in der am stärksten militarisierten Gegend Kolumbiens sich offenbar sehr frei bewegen können. Trotz zahlreicher Morde an ihren Mitgliedern konnte sich 1984 in Uraba, einem der größten Bananenanbaugebiete der Erde, eine starke Landarbeitergewerkschaft etablieren. Am 13. März gewann die linke Union Patriotica (UP) hier in mehreren Dörfern die Bürgermeisterwahlen. Zwei Guerillagruppen, die EPL und die FARC, operieren in Uraba. Der Bananenboom hat Tausende von landlosen Bauern angelockt. Da diese jedoch oft weder Arbeit noch Land finden, besetzen sie immer häufiger brachliegende Ländereien. Auch die Bauern von Nueva Colonia, wo sich nun das jüngste Gemetzel ereignete, besetzten vor drei Jahren ein Stück Land. Möglicherweise ist dies der Grund, für den nun einige von ihnen mit ihrem Leben bezahlen mußten. Die Ermordung von Landarbeitern wird in Kolumbien offenbar immer mehr zur Normalität. Fernseh– und Rundfunkredaktionen interessierten sich am Montagabend mehr für die Oscar–Verleihung in Hollywood und eine mögliche Ehekrise von Prinz Charles und Lady Di als für die Hintergründe der Morde in Uraba. PORTRAIT