Zypern in der Zwickmühle

Seit dem Niedergang Beiruts versuchen die Zyperngriechen, ihre Insel zum Handelszentrum und Bankenplatz auszubauen - mit einigem Erfolg. Mehr als 2.000 Off– Shore–Companies haben sich auf der Mittelmeerinsel bereits angesiedelt, viele Banker haben den Sprung von Beirut nach Nikosia gemacht. Um diesen wirtschaftlichen Aufschwung und die politische Stabiltät nicht zu gefährden, ist strikte politische Neutralität gefordert. Zypern unterhält zu nahezu allen arabischen Staaten gleich gute Beziehungen. Seit Jahren hat die PLO ein Büro in Nikosia - doch genauso selbstverständlich existiert dort eine di plomatische Vertretung Israels. Die Insel gilt aufgrund ihrer geographischen Lage und der guten Kommunikationsmöglichkeiten als Tummelplatz für Agenten und Geheimdienste aus der gesamten Region. Die Regierung mischt sich nicht ein. Arabische Oppositionsgruppen und Zeitungen arbeiten von Nikosia aus - die Regierung läßt sie alle gewähren. Durch die Landung der entführten Boeing 747 in Larnaka sind die Zyprioten in die Zwickmühle geraten. Bisher war es dort gern geübte Praxis, sich der Flugzeugentführer, Bombenleger und anderer Attentäter aus dem arabischen Raum möglichst unauffällig zu entledigen. Entführte Maschinen wurden rasch aufgetankt, damit sie die Insel schnell wieder verließen (wie bei der Entführung der Lufthansa–“Landshut“ im deutschen Herbst 77 geschehen). Attentätern droht auf Zypern selten das Gefängnis (wo man sie freipressen könnte), sie werden statt dessen abgeschoben. Mit dieser Politik gelang es zwar nicht, politisch motivierte Gewalt von der Insel gänzlich fernzuhalten, doch die Folgen für die Republik blieben im Bereich des Erträglichen. Seit 1977 soll sogar ein Abkommen zwischen Zypern, Israel und der PLO existieren, das die Insel von Anschlägen beider Seiten ausnimmt. Bei der entführten Boeing 747 der „Kuwait Airways“ jedoch stößt die bisherige Politik an ihre Grenzen. Offenbar hat Kuwait Zypern unter starken wirtschaftlichen und politischen Druck gesetzt, um das Auftanken der Maschine zu verhindern. Der Abzug der kuwaitischen Petrodollars von zypriotischen Banken oder das Einfrieren der wirtschaftlichen Beziehungen wäre für die Zyprioten tatsächlich ein schwerer Schlag. Auf der anderen Seite ist aber auch eine Stürmung des Jumbo– Jets - gegen die die Kuwaitis wohl nichts einzuwenden hätten - problematisch. Militärisch wäre eine solche Aktion möglich, da die Zyprioten in den achtziger Jahren eine gut ausgebildete Anti–Terror–Einheit aufgebaut haben - die Hilfe durch die britische Spezialeinheit SAS wäre also nicht unbedingt erforderlich. Aus der Sicht schiitischer Hardliner würde sich Zypern damit aber zum Komplizen der Kuwaitis und der „reaktionären“ arabischen Staaten machen, und hätte dementsprechend Vergeltungsschläge zu befürchten. Zyperns Spagat der politischen Neutralität gegenüber den arabischen Nachbarn wäre beendet. Ohnehin sind die Erfahrungen Zyperns mit der Stürmung eines Flugzeugs nicht eben erfolgreich. Als 1978 ein ägyptisches Kommando ohne Benachrichtigung der zypriotischen Behörden eine Maschine der „Egypt Air“ „befreien“ wollte, griff eine Spezialeinheit der Zyprioten ein. Statt auf die Entführer eröffneten sie das Feuer auf die Ägypter und töteten 15 von ihnen. Bei der Schießerei auf dem Rollfeld wurden etliche Zyprioten verletzt, das Flugzeug der ägyptischen Einheit ging in Flammen auf. Unter dem Druck Kuwaits und mit der Angst vor späteren Anschlägen gegen das eigene Land bleibt der zypriotischen Regierung nur Abwarten und Verhandeln. Seit vier Tagen steht die Boeing 747 in der hintersten Ecke des Flughafens von Larnaka. Klaus Hillenbrand