Kuwaits Herrscher–Clan bleibt hart

■ Warum die Entführer der Kuwait Airlines 747 keine Chance für die Erfüllung ihrer Forderungen haben

Es ist bereits die vierte Flugzeugentführung mutmaßlich schiitischer Gruppen, mit der nun versucht wird, die 17 in Kuwait im Knast sitzenden Glaubensgenossen herauszuholen - doch auch im vierten Anlauf werden die Entführer keinen Erfolg haben. Zu sehr würde ein Nachgeben die Machtbasis des herrschenden Clans bedrohen und zu sehr sind die Anhänger der Entführer in Kuwait selbst isoliert.

Manama (taz) - Sie hoffen, mit drei Mitgliedern der kuwaitischen Herrscherfamilie Al Sabah an Bord der Boing 747 endlich den langersehnten Faustpfand zu besitzen, um das Scheichtum zur Freilassung der siebzehn Häftlinge in kuwaitischen Gefängnissen erzwingen zu können. Das ist nicht nur eine Fehlkalkulation, sondern zugleich auch Beweis, daß es sich bei den Entführern nicht um Kuwaitis handelt. Denn die wissen, daß gerade weil Al Sabahs unter den Geiseln sind, kein Nachgeben möglich ist. Diese Aussage von Imir Sheikh Jabar Al Achmad Al Jaber Al Sabah, es gäbe keine Unterschiede zwischen den Bürgern des Scheichtums, ist richtig und falsch zugleich. Richtig, weil es in Kuwait offiziell nur den Unterschied zwischen 800.000 Kuwaitis und einer Million Ausländern gibt. Das sind Menschen erster und zweiter Klasse. Falsch, weil der Ölreichtum unter den Kuwaitis ungleich verteilt wird, und der Clan Sabahs sich nicht nur den Löwen–Anteil sichert, sondern das Scheichtum auch wie ein Familienunternehmen führt. Widerspruch wird nicht geduldet. Aber es ist nicht die nackte Repression, die die Kuwaitis bei der Stange hält, sondern eine Mischung aus erfolgreicher Politik, gezielter Begünstigung und dosierter Bestrafung. Die erste Bewährungsprobe kam in den Tagen der Staatsgründung im Jahre 1961. Irak meldete Besitzanspruch auf den Ölstaat an. Aber mit diplomatischem Geschick wurde der Anschluß verhindert. Kuwait nahm sogar diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion auf. Die zweite Klippe, die der Sabah–Clan umschiffte, war die Frage der Verwendung der Ölgelder. Es wurde ein beispielloses Sozialsystem aufgebaut. Jede kuwaitische Familie erhielt vom Staat sogar ein Haus. Natürlich verschwand auch ein großer Teil des Geldes in den Privatschatullen des Sabah–Clans, aber zehn Prozent der Öleinnahmen wurden im „Fonds für künftige Generationen“ angelegt. Das zahlte sich 1983 erstmals aus. Als die Öleinnahmen zurückgingen, hatte Kuwait plötzlich höhere Einnahmen durch Auslandsinvestitionen als durch Ölverkauf. Zudem gab es keine Investitionsruinen wie in Saudi–Arabien, wo mit Milliarden–Aufwand Produktionsstätten aufgebaut wurden, sich deren Produkte aber als unverkäuflich erwiesen. Mit dieser Politik wurde zudem vermieden, weitere Ausländer als Arbeitskräfte ins Land zu holen. Ausländer sind eine absolut disponible Masse. Fällt ein Arbeitsplatz weg, beginnt eine nur wenige Tage dauernde Frist. Findet der Ausländer keine neue Stelle, muß er das Land verlassen. Der Unmut unter den Ausländern über diese Praxis wird gedämpft durch überdurchschnittliche Bezahlungen und Lebensbedingungen, die immer wesentlich besser als in den Heimatländern sind. Zudem haben die Kuwaitis gelernt, die 200.000 Palästinenser gegen den Rest der arabischen Ausländer und die Araber insgesamt gegen die Asiaten auszuspielen. Als Iran vor anderthalb Jahren versuchte, Ölexporte durch Angriffe auf kuwaitische Tanker zu blockieren, fand die Regierung, in der der Clan sieben Mitglieder plaziert hat, einen trickreichen Ausweg. Die Supermächte übernahmen den Militärschutz für die Ölexporte. Das Land gab dem iranischen Druck Teherans, Kriegsgegner Irak die Unterstützung zu entziehen, nicht nach. Und grade dieses Prinzip, keinem Druck nachzugeben, verlöre seine Gültigkeit, würde man Forderungen von Terroristen erfüllen. Die Anschlagsorgie am 6.Dezember 1983, bei der innerhalb von 90 Minuten nicht nur Teile der US– und der französischen Botschaft in die Luft flogen, und der Flughafen, sowie Öl–, Elektrizitäts– und Wasseranlagen Schaden nahmen, wurde von Ausländern organisiert. Die Ziele ergaben keinen tiefen Sinn für die Bewohner des Landes, da vor allem Einrichtungen der Feinde Irans angegriffen wurden. Deshalb hat Kuwait auch in den vergangenen Jahren nicht nur dem Druck von Entführern oder libanesischen Terrorgruppen standgehalten, sondern bei einer früheren Flugzeugentführung auch die Bitten der USA abgelehnt, die siebzehn Attentäter freizulassen. Dies würde als Schwäche des Landes gegenüber dem Ausland verstanden. Mit diesem Prinzip zu brechen, nur weil sich Sabahs an Bord befinden, kommt dem Familienclan erst recht nicht in den Sinn. Sie würden damit den Beweis für ihre Familienherrschaft liefern. William Hart