Schonfrist für Rheinhausen

■ Streik in Rheinhausen geht weiter / Belegschaft empört über Vertagung im Aufsichtsrat / Kapital und Arbeit einig gegen eine Vermittlung durch Ministerpräsident Johannes Rau / Farthmann und Rau fordern Richtigstellung von Krupp–Chef Cromme

Von Petra Bornhöft

Rheinhausen (taz) - Nach rund fünfstündiger Sitzung hat der Krupp–Aufsichtsrat gestern in Bochum beschlossen, die Entscheidung über eine eventuelle Stillegung des Werks in Rheinhausen nicht am 2. Mai, sondern am 19. Mai zu fällen. In der Zwischenzeit sollen über alle vorliegenden Modelle, die die Zukunft des Werks betreffen, Gespräche geführt werden. Dieses Ergebnis hat gestern nachmittag der Betriebsrats–Vorsitzende Manfred Bruckschen der empörten Belegschaft in Rheinhausen mitgeteilt. Nach einhelliger Meinung der Betroffenen war dieser Diskussionsstand bereits im vergangenen Dezember erreicht. Stunden vor dem Ende der Sitzung stand für die Mehrzahl der seit letztem Freitag Streikenden fest: „Wenn der Aufsichtsrat gegen uns entscheidet, steht die Produktion mindestens bis zum Wochenende still.“ Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hatten sich die Forderungen des Betriebsrates zu eigen gemacht. Der Streikbeschluß würde nach der Erklärung von Manfred Bruckschen dann endgültig bestätigt. Während die Aufsichtsräte, eigentlich nur zur „Information“ über die angestrebte Kooperation der drei Stahlkonzerne Thyssen, Mannesmann und Krupp nach Bochum geladen, noch tagten, hatten sich in der Rheinhausener „Menage“ an die 2.000 Belegschaftsmitglieder versammelt. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Theo Steegmann erinnerte daran, daß der „Kampf seit fast fünf Monaten so schwierig“ sei, weil es um „die Neuordnung der gesamten Stahlindustrie geht“. Durch die taz–Veröffentlichung des Telefongespräches zwischen Kriwet (Thyssen) und Cromme (Krupp) sei „wieder ordentlich Bewegung in unseren Kampf gekommen“. Die Landesregierung habe ja nun die Behauptung Crommes zurückgewiesen, und es existiere über die Fortsetzung Seite 2 Unterredung zwischen Politikern und den Konzernvertretern ein Protokoll. Steegmann, der nicht erwähnte, daß die Landesregierung die Existenz dieser vermeintlichen Mitschrift inzwischen dementiert hat, sagte nach Berichten von Teilnehmern weiter: „Wir haben viel Grund zur Annahme, daß Cromme gelogen hat. Er hat uns schon so oft getäuscht.“ Sowohl Betriebsrat als auch Krupp–Vorstand lehnten gestern eine Vermittlung durch Ministerpräsident Johannes Rau ab. Der Betriebsrat hatte zuvor Rau mitgeteilt, daß eine „Vermittlung“ zwischen der Belegschaft und Krupp nur sinnvoll sei, wenn der Vorstand seine Stillegungspläne zurückziehe, die Hütte über 1989 hinaus erhalten und Ersatzarbeitsplätze geschaffen würden. Unterdessen bemühte sich die SPD gestern mit zahlreichen Be schlüssen und Flugblättern, ihre „ungebrochene Solidarität“ mit dem Arbeitskampf in Rheinhausen zu demonstrieren. Der Vorstand der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion erklärte, das „Konzept der Stahlarbeiter zur Lösung der Probleme (habe) Anspruch darauf, ernstgenommen zu werden“. Die Parlamentarier begrüßten Raus Vermittler–Initiative und forderten die Unternehmensleitung auf, sofort wieder die Verhandlungen „über die Zukunft des Stahlwerkes Rheinhausen“ aufzunehmen und die Vorschläge der Arbeitnehmerseite „konstruktiv zu prüfen“. Ähnlich äußerte sich auch die Versammlung aller Duisburger Metall–Betriebsratsvorsitzenden und Vertrauensleuteleitungen. Sie begrüßten ausdrücklich, daß die Landesregierung „so schnell die in einer taz–Veröffentlichung erhobenen Vorwürfe dementiert“ habe. Die Entscheidung dieses Tref fens, den Stahl–Aktionsausschuß der IG Metall, in dem Vertreter aller großen Betriebe arbeiten, erst für den kommenden Montag einzuberufen, stieß in Rheinhausen auf Kritik. Das sei vielleicht schon zu spät, sagte Günther Spahn, Vertrauenleute–Chef bei Thyssen–Hamborn (Duisburg). Wie er persönlich, so übermittelten gestern zahlreiche Betriebsräte und Gewerkschafter aus bundesdeutschen Stahlunternehmen telefonisch ihre „solidarischen Grüße“ an den Rhein. Düsseldorf (dpa) - Der nordrhein–westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) und der Vorsitzende der SPD–Fraktion im Düsseldorfer Landtag, Friedhelm Farthmann, haben Krupp–Stahl– Chef Gerhard Cromme aufgefordert, den Inhalt eines angeblich abgehörten Telefongesprächs öffentlich richtigzustellen. Demzufolge soll die NRW– Landesregierung die Stillegung des Krupp–Stahlwerks in Duisburg–Rheinhausen gebilligt haben. Ohne Richtigstellung sehe er derzeit keine Vertrauensbasis für ein Vermittlungsgespräch zwischen Vorstand und Betriebsrat von Krupp, sagte Rau nach dpa–Informationen vor der SPD–Landtagsfraktion am Dienstag in Düsseldorf. Farthmann kritisierte die Veröffentlichung des Telefon–Mitschnitts als „Glied in der Kette einer gezielten Strategie“. So würden etwa auch „Grüne nach Rheinhausen getrieben“, um einen Keil zwischen die SPD und ihre traditionelle Wählerschaft im Ruhrgebiet zu treiben. Der Krupp–Manager habe ihm gegenüber bereits am Donnerstag in einem Telefonat erklärt, der Satz, die Landesregierung sei der Auffassung, Rheinhausen solle möglichst schnell geschlossen werden, damit der Krach aufhöre, entspreche nicht dem Inhalt des Gesprächs vom 7.1. Dies müsse Cromme nun aber auch öffentlich erklären. Ansonsten sei er für ihn kein Gesprächspartner.