„Töpfers geschickter Aktionismus“

■ Atomexperte Klaus Traube über die „Entflechtung“ der Hanauer Atombetriebe / „An die entscheidenden Fragen hat sich Töpfer nicht herangetraut“ / Verlagerung der Alkem nach Wackersdorf „schon immer Stand der Planungen“

taz: In den Medien wird Töpfer als harter Krisenmanager gefeiert. Wie beurteilen Sie seine sogenannte Entflechtung der Hanauer Betriebe? Ist Töpfer der „Totengräber der Kernenergie“, wie am Montag zu lesen war? Klaus Traube: Das ist eine total unsinnige Behauptung. Was Töpfer gemacht hat, sind gewisse organisatorische Umstellungen, die aber für die Atomindustrie insgesamt eher peripher sind. Das einzig Spektakuläre ist der Rückzug des RWE aus der Brennelement– Produktion der Hanauer Versorgungsfirmen. Für den Riesen RWE ist dies allerdings gewiß keine Existenzfrage. Organisatorisch wären wirkliche Verbes serungen nur dann zu erreichen, wenn in den kontrollierenden Instanzen das Kartell der Atombefürworter aufgebrochen wird. Davon ist nicht das Geringste zu erkennen. In der Sache ändert sich so gut wie gar nichts. Das einzige von Belang ist die Konditionierung schwach aktiver Abfälle, die künftig teilweise in den Atomkraftwerken abgewickelt werden soll. Das kann man positiv beurteilen, weil damit einige Atommüll–Transporte wegfallen. Andererseits wird hier der Bock zum Gärtner gemacht, weil die Betreiber, wenn sie etwas zu verstecken haben, jetzt über den direkten Zugriff verfügen. Immerhin wird der Komplex Hanau von den Eigentumsverhältnissen her übersichtlicher, und einige Firmen sind ja ganz herausgefallen. Sie haben recht, wenn Sie sagen, das Organisationsmodell wird überschaubarer, aber was ändert das in der Sache. Die durch den Hanauer Skandal thematisierte Problematik der Ver– und Entsorgung wird in der Sache nicht verändert. An die entscheidenden Fragen hat sich Töpfer nicht herangetraut. Er traut sich nicht, angesichts der durchweg negativen Ergebnisse der bisherigen Salzstock–Erkundung in Gorleben die Konsequenz zu ziehen und alternative Endlager–Standorte zu untersuchen. Er traut sich auch nicht, den alten gefährlichen Zopf der Wiederaufarbeitung abzuschneiden und die Plutonium–Brennelemente–Fabrikation der Alkem aus dem Verkehr zu ziehen. Und er traut sich nicht an den Brüter heran. Hier droht er auf Drängen seiner Kabinettskollegen sogar mit einer Weisung. Dennoch ist Töpfer der Gewinner des Hanauer Skandals. Er hat seine Kompetenzen mit der Einrichtung des Bundesamts für Strahlenschutz ausgeweitet. Und er hat sich als Krisenmanager profiliert. Das ist richtig. Durch seinen geschickten organisatorischen Aktionismus wird dem Publikum vorgeführt, daß hier etwas geschieht. Selbst ein sonst kritisches Journal wie der Spiegel schreibt von einer „kleinen Revolution, die Deutschlands Atomindustrie zu einem neuen Anfang zwingt“. Da reibe ich mir natürlich verwundert die Augen. Es ist schon erstaunlich, welche Publizität Töpfer mit seinen peripheren Maßnahmen erreicht hat. Sie haben als Hauptursache des Atomskandals immer Kumpanei und Filz staatlicher Organe mit der Atomindustrie kritisiert. Ist diese Verbrüderung, diese Verhätschelung einer ganzen Branche durch den Fall Hanau ins Wanken geraten? Sie geriete dann ins Wanken, wenn Töpfer die Bildung des Bundesamtes für Strahlenschutz nutzen würde, um die unselige Verquickung von Kontroll–Instanzen mit Atom– Interessen zu beenden. Das könnte er durch personelle Berufungen von Leuten für dieses Amt schaffen, die der Atomenergie kritisch gegenüberstehen. Ich habe einmal öffentlich Töpfer vorgeschlagen, Professor Dürr von der Max– Planck–Gesellschaft dieses Amt anzubieten. Dürr ist ein ausgewiesener, aber atomkritischer Wissenschaftler. Damit würden Zeichen einer wirklichen Entflechtung gesetzt. Töpfer könnte auch Klaus Traube fragen. Den könnte er schon deswegen nicht fragen, weil der inzwischen 60 Jahre alt ist und kein Amt übernehmen würde. Aber grundsätzlich: Die Abschirmung der Atomgemeinde, die sich nur von Atombefürwortern kontrollieren läßt, ist ein zentraler Punkt. Im Zusammenhang mit Hanau wurden auch Überlegungen bekannt, die Plutonium– Verarbeitung der Alkem nach Wackersdorf zu verlegen. Das ist nichts Neues. Es war schon immer Stand der Planungen, daß die Alkem an den Standort der Wiederaufarbeitungsanlage umziehen wird. Das kann man aus sämtlichen Unterlagen herauslesen, auch aus dem Sicherheitsbericht der WAA. Interview: Manfred Kriener