Schlechter Start für Italiens neue Regierung: Dauerproblem Atomkraft

Noch hat Italiens neuer christdemokratischer Ministerpräsident Ciriaco De Mita seine Regierungserklärung und die Vertrauensabstimmung nicht hinter sich, und schon sitzt er, nach bewährtem Muster, mitten im Chaos. So zügig und listig er seine vier Koalitionspartner - Sozialisten, Sozialdemokraten, Republikaner und Liberale - zu einer Neuauflage des alten Fünferbündnis bewogen und so erfolgreich er seinen Erzwidersacher Bettino Craxi (PSI) gezähmt hatte, so konsterniert steht De Mita nun vor mächtigen Schwierigkeiten, über die nichts oder kaum etwas im 200 Seiten starken Koalitionspapier steht. So hat am Donnerstag eine neue Streikwelle im Transportwesen des Landes eingesetzt: Die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern im Eisenbahn– und Flugverkehr vor zwei Wochen nach halbjährigem Tauziehen ausgehandelten neuen Tarifverträge sind wieder Makulatur, weil die Arbeitsbasis sie nicht anerkennt. Das dickste Nachoster–Ei hat jedoch der Verwaltungsgerichtshof der Region Lazio der neuen Regierung ins Nest gelegt: Am Mittwoch abend hob er den von der Gemeinde Montalto di Castro verfügten Stopp für den Bau des neuen Atommeilers Montalto auf - mit der Begründung, Gefahr bestünde für die Bevölkerung ja erst, wenn die Anlage in Betrieb genommen werde, so daß man einstweilen ruhig weiterbauen könne. Die Regierung hatte für die umstrittene - Entscheidung über mögliche anderweitige Verwendung des Projekts ein Jahr Diskussion vorgesehen. Die „Wunschlösung“ der Christdemokraten sah vor, das Monster zuerst für einige Zeit mit Methan zu betreiben und dann, sofern die neue Euphorie über die „saubere“ Atomenergie anhält, das Ganze wieder der atomaren Nutzung zuzuführen. Der Spruch des Gerichts zwingt die Regierung nun zu einer sofortigen und definitiven Entscheidung - was vor allem Sozialistenchef Craxi verdrießt. Der hätte die Frage nächstes Jahr gerne zum Knackpunkt für den Sturz De Mitas gemacht. Ärger steht dem neuen Ministerpräsidenten noch vor der „Inthronisation“ auch seitens seines sozialdemokratischen Partners ins Haus: Der erst vor einem Monat nach einem Bestechungsskandal, der seinen Vorgänger zu Fall brachte, ins Amt gekommene neue Vorsitzende Antonio Cariglia hat mit der Nominierung der beiden dem PSDI zustehenden Minister (Kulturgüter und EG– Politik) seinen eigenen Vorstand verprellt. Nun muß er möglicherweise zurücktreten oder die beiden Kandidaten zurückziehen. Werner Raith