Ein Flickenteppich aus dem Hause Blüm

■ Heute will die Koalition ihren Streit um die Kostendämpfung im Gesundheitswesen beilegen / Von Oliver Tolmein

Auch wenn die FDP einzulenken scheint - was Bundesarbeitsminister Blüm da noch im Mai durch den Bundestag schleusen will, ist keine Strukturreform. Die Ursachen des Milliardendefizits, das die Gesetzliche Krankenversicherung aufgetürmt hat, bleiben unangetastet (siehe Artikel zur „Kostenexplosion“). Und die SPD will die Ergebnisse einer Bundestags–Enquetekommission abwarten.

Die Chancen, daß sich im Gesundheitswesen alles zum Schlechteren wenden wird, stehen gut. Einen Tag vor der heute tagenden großen Koalitionsrunde zu einer Kostendämpfungsregelung, die als Strukturreform ausgegeben wird, hat Fraktionsvorsitzender Mischnick für die FDP die Bereitschaft zum Einlenken bekundet. Vor allem scheint die FDP bereit, die sogenannte Festbetragsregelung für Arzneimittel hinzunehmen. In Zukunft soll die Kasse bei wirkstoffgleichen Medikamenten beziehungsweise bei therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen nur noch die Kosten für die preiswertesten Mittel übernehmen. Die FDP bestand lange Zeit auf einer prozentualen Selbstbeteiligung der Patienten an den Medikamenten. Jetzt wird wohl zusätzlich zur Festbetragsregelung, bei der Patienten, denen der Arzt teurere Mittel verordnet, selbst zur Kasse gebeten werden, die Rezeptblattgebühr von zwei auf drei Mark pro Mittel erhöht werden. Auch die Datenschutzprobleme die durch die Verwendung der Sozialversicherungsnummer in der GKV entstehen, hält Mischnik für lösbar: Was in den privaten Krankenversicherungen möglich sei, müsse auch in der gesetzlichen Versicherung durchführbar sein. Ein wichtiger Streitpunkt bleibt nach wie vor die von Minister Blüm geplante Neuregelung der häuslichen Pflege. Unklar ist auch noch, wie die kostenträchtigen Krankenhausbehandlungen in das Gesetzpaket einbezogen werden können. Die Idee, den Krankenkassen die Möglichkeit zu geben, ihre Behandlungsverträge mit „unwirtschaftlich“ arbeitenden Krankenhäusern zu kündigen, wird von den Bundesländern abgelehnt. Massiv haben sich unterdessen die Arbeitgeber in die Diskussion eingeschaltet. Arbeitgeberpräsident Murmann und der Präsident des Deutschen Industrie– und Handelstages, Stihl, haben gefordert, das Prinzip der prozentualen Selbstbeteiligung an den Krankheitskosten auf jeden Fall einzuführen. Außerdem bemängelten die beiden Unternehmervertreter, mit der Regelung der Pflegefinanzierung werde ein „zusätzlicher Kostentreibsatz“ in die GKV eingeführt. Sie fordern eine eigenständige Pflegeversicherung, nach dem Motto: „Der Sozialstaat und die Solidargemeinschaft werden heute bereits überstrapaziert.“ Wenn es bei der heutigen Koalitionsrunde zu einer Einigung kommt, wird im Bundeskabinett voraussichtlich noch im Mai der endgültige Gesetzentwurf verabschiedet werden. Die Anhörung von Sachverständigen durch die Bundestagsausschüsse soll nach den Vorstellungen der Koalition noch vor der Sommerpause beendet werden. Insgesamt will Bundesarbeitsminister Blüm mit dem Gesetz 14 Milliarden Mark einsparen, von denen die Hälfte in die Pflegefinanzierung gesteckt werden soll. Die größten Einzelposten in dem Blüm–Paket sind der auf ca. 1,5 Milliarden Mark veranschlagte Einspareffekt durch Bettenabbau und Verweildauerverkürzung in den Krankenhäusern, der auf zwei Milliarden Mark veranschlagte sogenannte Struktureffekt (“Kumulation dynamischer Wirkungen im Bereich ambulante Versorgung, Arzneimittel, Heil– und Hilfsmittel“), der Wegfall des Sterbegeldes, der 1,1 Milliarden Mark bringen soll, 2,6 Milliarden Mark durch weitergehende Zuzahlungen beim Zahnersatz, 800 Millionen Mark durch die Einführung des Festbetrages bei wirkstoffgleichen Medikamenten und 1,2 Milliarden Mark durch die Einschränkungen bei der Fahrtkostenerstattung zum Arzt beziehungsweise in die Krankenhäuser. Der ursprünglich geplante „Solidarbeitrag“ der Pharmaindustrie (1,7 Mrd. Mark) durch zehnprozentige Preissenkung bei den Arzneimitteln ist wieder gestrichen worden.