Das Rüstungswirtschafts–Wunderland Bayern

■ Grünes Symposium zur bayerischen Rüstungswirtschaft / Bayerisches Rotes Kreuz als der NATO–Blut–Lieferant / Drei Siemensfirmen in Südafrika liefern an die NATO / WNC und Bayernchemie leiten Höchstmenge an krebserregenden Aminen in den Inn

München (taz) - „Damit wollen wir die Rüstungswirtschaft etwas anpieksen“, erklärt der bayerische grüne Landesvorstand Eberhard Bueb die überdimensionale Sicherheitsnadel mit Raketenkopf, die das Plakat zum Rüstungssymposium vom Wochenende ziert. Messerschmitt–Bölkow–Blohm (MBB), die Nummer eins der bundesdeutschen Rüstungsindustrie, reagiert schon vor Beginn der Veranstaltung: Die Herren schicken eigens einen Fahrer ins grüne Landtagsbüro, um sich den umfangreichen Reader zu beschaffen, den die Grünen hierzu veröffentlicht haben (“Rüstung in Weiß–Blau“). Doch schon zu Beginn des Symposiums ist der Reader ergänzungsbedürftig: Unter den über 1.000 Streitkräftelieferanten der US–Armee in Bayern, so hat man gerade herausgefunden, ist auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK, als Geschäftspartner der Defense Logistic Agency). Der Blutspendedienst der BRK GmbH in München wird unter dem Nato–Supply Code for Manufactures (“C1110“) als militärische Be zugsquelle geführt. Bei seinen Spendenaufrufen wirbt das BRK allerdings nur mit der Hilfe für Unfallopfer. Ebenso brisant die Liste der 31 zu Siemens gehörenden bayerischen Firmen, die an die NATO liefern. Sogar in Südafrika produziert Siemens für die NATO, und zwar in Zweigwerken in Johannesburg, Pretoria und Kapstadt. Weitere alarmierende Facts aus dem Sumpf der Rüstungsindustrie förderten die Grünen in Zusammenhang mit der chemischen Rüstungsindustrie zutage. Messun gen der Abwässer von Bayern– Chemie und WNC–Nitrochemie im oberbayerischen Aschau ergaben: über zwei mg pro Liter aromatische Amine werden in den Inn geleitet. Aromatische Amine sind krebserregende Abbauprodukte von Chemikalien aus der Sprengstoffproduktion. Um diese „Überdosis“ zu verdeutlichen: Bayer–Leverkusen darf nach dem offiziellen Genehmigungsbescheid nur 0,1 mg pro Liter in den Rhein einleiten. Der Inn muß demnach die 20fache Dosis schlucken. „Zu fragen ist, ob diese Einleitung genehmigt ist“, so der Journalist Jo Angerer, der sich schon seit Jahren mit der chemischen Rüstungsindustrie in Bayern und ihren Altlasten befaßt. Bayern als Zentrum der Rüstungsindustrie ist nichts Unbekanntes. Das Ganze hat jedoch auch Tradition. Fast alle bayerischen Firmen, die heute in Bayern beträchtliche Umsätze mit wehrtechnischen Produkten erzielen, waren bereits vor 1945 Lieferanten der Wehrmacht. Auch heute liegt Bayern bei den Beschaffungsausgaben der Bundeswehr an erster Stelle (1984: 3,8 Milliarden Mark). Die Hälfte der bundesdeutschen Rüstungsinvestitionen gehen nach Bayern. Im Reader sind nicht nur die großen Firmen von MBB über Siemens bis Dornier aufgelistet, sondern insgesamt 362 bayerische Firmen, die Rüstungsgüter produzieren. „Das Netz der Verflechtungen ist dicht“, stellt der grüne Landtagsabgeordnete Hans–Günther Schramm auf dem Podium fest. Zur Kaschierung werden Banken oder Wirtschaftsfirmen dazwischen geschaltet. Das Musterbeispiel für die direkte Verbindung zwischen bayerischer Staatsregierung und Rüstungsindustrie ist MBB. Strauß sitzt beim MBB im Aufsichtsrat. Nach neuesten Informationen plant Strauß, seinen früheren Büroleiter, den derzeitigen Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Ludwig Holger Pfahls, in die Geschäftsführung von MBB zu schicken. Und so prostet die grüne Landtagsabgeordnete Ulrike Wax– Wörner den rund 350 Teilnehmern des Symposiums vom Wochenende, die trotz strahlenden Biergartenwetters im Saal des Münchner Hofbräukellers ausharren, erst einmal aufmunternd zu, bevor sie die bayerischen Banken und die Rüstung aufs Korn nimmt. Erst der Einstieg in den Brauereimarkt brachte nämlich in den siebziger Jahren einer bayerischen Bank, der Bayerischen Hypotheken– und Wechselbank (kurz: Bayernhypo), nationale Bedeutung. Doch Bier allein war den bayerischen Bankern zuwenig. Heute sind die beiden großen bayerischen Banken, Bayernhypo und Bayerische Vereinsbank ein Paradebeispiel von Verknüpfung zwischen Politik, Bank und Rüstung. Das Symposium vom Wochenende soll den bayerischen Grünen auch für die künftige Arbeit im Landtag dienen. Unter anderem wollen sie, daß der Verzicht auf Atomwaffen in die Landesverfassung aufgenommen wird. Luitgard Koch Den Reader „Rüstung in Weiß–Blau Politik und Waffenwirtschaft in Bayern“ gibts für 14,80 entweder direkt beim Forschungsinstitut für Friedenspolitik e.V. Uhdestr. 2, 8130 Starnberg, oder über den Buchhandel