Kantor mit Räuber verwechselt

■ Der Kantor der Jüdischen Gemeinde in West–Berlin wurde irrtümlich wegen eines Raubüberfalls festgenommen / Er wurde erst auf Intervention von Heinz Galinski wieder freigelassen

Berlin (taz) - Der Kantor der Jüdischen Gemeinde in West–Berlin, Nachmann F., wurde am Samstag nachmittag nach dem Sabbat–Gottesdienst in seiner Wohnung festgenommen. Der Grund: Die Polizei verdächtigte ihn, in den Morgenstunden desselben Tages bei einem Überfall auf ein Geschäft Geld geraubt zu haben. Nach Polizeiberichten soll dabei ein männlicher bewaffneter und mit einem schwarzen Strumpf maskierter Täter die älteren Geschäftsbesitzer gefesselt und anschließend Bargeld entwendet haben. Wieso die Kripo ausgerech net den Kantor der Tat verdächtigte, wollten Polizeidienststellen am Sonntag aus „ermittlungstaktischen Gründen“ nicht näher erläutern. Erst in der Nacht und - wie unterrichtete Kreise wissen wollen - nach einer Intervention des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Heinz Galinski, bei Bundesjustizminister Engelhard wurde der zuvor Verdächtigte nach Hause entlassen. Der Tatverdacht wurde durch „entlastende Beweise“ fallengelassen. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde hatte bereits im Laufe des Tages von der Festnahme seines Kantors erfahren und vergeblich versucht, den mit der abenteuerlichen Anschuldigung Festgenommenen freizuboxen. Im höheren Berliner Justizdienst war an diesem wunderschönen Samstag offenbar keiner zu erreichen, der bei der Kripo hätte intervenieren können. Kantor F. jedenfalls war von der acht Stunden dauernden polizeilichen Sistierung am Tage zuvor nachhaltig so schockiert, daß er am Sonntag nicht, wie angekündigt, bei einer Gedenkveranstaltung zum 45. Jahrestag des Warschauer Ghetto–Aufstandes singen konnte. mtm