Hamburger Strom zum Nulltarif

■ Stromrechnungs–Boykotteure dürfen nicht von der Versorgung abgeklemmt werden / OLG Hamburg: Solange die Hafenstraße nicht zahlen muß / Richter: Kein Freibrief für Leute, die Strafmandate nicht bezahlen

Aus Hamburg Kai Fabig

Stromzahlungs–Boykotteure brauchen in Hamburg nicht länger zu fürchten, daß ihnen der Strom abgedreht wird, der Hafenstraße sei Dank. So nämlich läßt sich ein Beschluß des 1. Zivilsenats am Hamburger Oberlandesgericht (OLG) interpretieren, den die Springer–Blätter wieder einmal nahtlos in ihre Kampagne gegen das Wohnprojekt am Hafenrand eingebaut haben. „Das Stromurteil“ titelte Bild in fetten Lettern, wo es lediglich um einen Beschluß über die Kosten eines Gerichtsverfahrens ging. Aber der ist in der Tat interessant. Richter Claus–Dieter Schumann hat nämlich entschieden, daß die Hamburgischen Electricitäts–Werke (HEW) die Kosten eines Verfahrens zu tragen haben, bei dem es um das Abdrehen des Stroms für einen Rechtsanwalt ging. Dieser hatte mit der HEW Streit darüber, ob er nur den Haushalts– oder den (höheren) Gewerbetarif zahlen muß. Im Verlauf des Streits wurde der Rechtsanwalt dann von der Stromversorgung abgenabelt. Per Vergleich einigte man sich, daß er von den Forderungen der HEW in Höhe von 8.000 Mark 2.300 Mark zahlt. In der Frage der Verfahrenskosten hat jetzt Richter Schumann beschlossen, daß er dem Unternehmen zwar grundsätzlich zusteht, den Saft abzudrehen - daß es jedoch gleichmäßig davon Gebrauch machen müsse. Solange die Hafenstraße weiter Strom beziehe, ohne dafür zu zahlen, dürfe auch keinem anderen Verbraucher der Hahn zugedreht werden. Ein Recht auf „Gleichbehandlung im Unrecht“ aber, so Schu mann gegenüber der taz, werde es auch weiterhin nicht geben. Kein Grund zur Freude also für jene Hamburger, die sich mit Verweis auf den „rechtsfreien Raum“ in der Hafenstraße weigern, Strafmandate zu zahlen. Die Hamburger Zeitungen kolportieren immer wieder genüßlich diese Boykottfälle, um nachzuweisen, daß das Rechtsempfinden der „Normalbürger“ durch die Hafenstraße Schaden nehme. Dagegen Richter Schumann: Es gehe in seinem Beschluß nur um das Druckmittel des Stromabschalten. Stromzahlungs–Boykotteuren jedoch darf dieser Beschluß neue Hoffnungen machen. „Das ist richtig“, antwortete Schumann auf die Frage, ob sein Beschluß so zu verstehen sei, daß auch diesen der Strom nicht abgedreht werden dürfe.