Die Moskau News an (west–)deutschen Kiosken

■ Die sowjetische Moskowskije Nowosti liefert die Texte, deutsche Partner sorgen für Produktion, Anzeigen und Vertrieb / Zunächst monatliches Erscheinen, ab November wöchentliche Ausgaben / Glasnost und Perestroika aus erster Hand

Von Erich Rathfelder

„Da ist schon so ein Russe“, kommentiert ein Weddinger, als ich die Moskau News am Kiosk im ehemaligen roten Arbeiterviertel kaufe, wo selbst die taz noch als Kommunistenblatt gehandelt wird. Unfreundlich ist er aber nicht und schaut interessiert auf das sowjetische Produkt. Seit Montag sind die Moskau News an den Kiosken der Republik und in West–Berlin erhältlich. Mit einer erfrischenden Mischung aus Boulevard und Prawda zeigt eine sowjetische Auslandszeitung endlich ein neues Gesicht. Denn offensichtlich haben Gruner und Jahr, M. DuMont Schauberg, Heinen–Verlag und die Bonner Verlagsanstalt, die als Verleger der „Arbeitsgemeinschaft Moskau News“ firmieren, die sowjetischen Blattmacher überzeugen können, westliche Lesegewohn heiten mit den Inhalten der in Moskau herausgegebenen Zeitung zu verbinden. „Sicher ist die Aufmachung beeinflußt von dem deutschen Layouter, der zusammen mit einem sowjetischen Kollegen dafür die Verantwortung trägt und früher bei der Kölnischen Rundschau gearbeitet hat“, erklärte der Redakteur für die deutsche Ausgabe, Dietrich Busch, gegenüber der taz. Die zunächst monatlich herausgegebene Zeitung hat eine Startauflage von 103.000 Exemplaren und ist eine Art Digest. „Die Redaktion aus Moskau liefert die in der russischen Ausgabe schon erschienenen Texte, und wir hier stellen sie so zusammen, wie wir glauben, daß sie für den deutschen Markt interessant sind. Die inzwischen viel zitierte Reportage aus Kaliningrad (dem ehemaligen Königsberg, das erstmals auch als Stadt deutscher Tradition und Geschichte in der sowjetischen Presse vorgestellt wird, d. Red.) zum Beispiel wird mehr in Deutschland interessieren als im englischsprachigen Raum. Aber der Artikel über Boris Jelzin (den im November geschaßten ehemaligen Bürgermeister von Moskau und radikalen Reformer, d. Red.) ist schon für uns exklusiv geschrieben. Solche Exklusivreportagen wollen wir in den nächsten Nummern öfter bringen.“ Die erste Nummer hat es zumindest für diejenigen, die das Lesen sowjetischer Presseerzeugnisse gewohnt sind, durchaus in sich. Immerhin ist Boris Jelzin jemand, der sogar bei Parteichef Gorbatschow in Ungnade gefallen ist. Wenn auch die Seite mehr vom privaten Zustand des Gescholtenen handelt, geht doch aus dem Text hervor, daß die in Moskau von ihm kursierende Rede vor dem ZK, während der er angeblich die Geg ner der Perestroika scharf angriff, nicht authentisch sein kann. Die habe er nämlich, so steht es jetzt in den Moskau News, frei gehalten. Ein weiterer Höhepunkt: Das „Akademiemitglied“ Andrej Sachararow darf unter dem Titel „Ichhabe einen Brief an Gorbatschow geschickt“ seine For5derungen darstellen. In einem Leserbrief wird die Beteiligung von Bürgerinitiativen an den programmatischen Beschlüssen der Partei gefordert, und in einem Interview mit dem Oberfehlshaber der Luftabwehrtruppen geht es um mehr „Glasnost in Uniform“. Daß die Anzeighen von den westlichen Partner requiriert werden, zeigt der „Zugvogel der deutschen Wirtschaft“, die Lufthansa, die ganzseitig ihre Flügel zeigen darf. „Wenn die Zeitung ein Erfolg wird, und daran zweifelt eigentlich niemand, werden wir ab November wöchentlich erscheinen“, kündigt Redakteur Busch an, „aber eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen.“ Die Konkurrenz der deutschsprachigen Prawda wird Moskau News nicht fürchten müssen. Ein Wiener Verlag will zwar ab 15.Mai die sowjetische Parteizeitung täglich in einer Übersetzung erscheinen lassen. Mit einem stolzen Preis von 1.400 DM im Jahr wird sie aber wohl Spezialisten vorbehalten bleiben.