Vor dem Hamadi–Urteil: Nur zwei Sachbeweise

■ Heute wird in Düsseldorf das Urteil gegen Ali Abbas Hamadi gesprochen / Kein Zeuge hat den Angeklagten zweifelsfrei belastet

Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Nach fast fünf Monaten Beweisaufnahme steht der 5.Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vor der Schwierigkeit, über ein Verbrechen zu urteilen, das noch gar nicht abgeschlossen ist. Ali Abbas Hamadi wird von der Bundesanwaltschaft beschuldigt, gemeinsam mit anderen Mitgliedern der radikal–schiitischen Hiszbollah (“Partei Gottes“) Anfang vergangenen Jahres die beiden bundesdeutschen Geschäftsleute Rudolf Cordes und Alfred Schmidt entführt zu haben. Mit diesen Geiselnahmen sollte die Bundesregierung unter Druck gesetzt werden, den zwischenzeitlich vor dem Frankfurter Oberlandesgericht wegen Mordes und Flugzeugentführung angeklagten Hamadi–Bruder Mohammad freizulassen oder ihn wenigstens nicht an die USA auszuliefern. Während die libanesischen Kidnapper den Siemens–Techniker Schmidt im September vergangenen Jahres nach intensiven Verhandlungen über syrische Mittelsmänner freigelassen haben, befindet sich der Hoechst– Manager Cordes weiterhin in den Händen der Hiszbollah. Inwieweit der in Düsseldorf angeklagte Abbas Hamadi in diese Geiselnahme verwicklet ist, wird von der Bundesanwaltschaft und seiner Verteidigung höchst gegensätzlich beurteilt. Die Ankläger, die sich im wesentlichen auf zwei Sachbeweise stützen - die abgehörten Telefongespräche und die Fingerabdrücke des Angeklagten auf einem Schreiben des gekidnappten Schmidt aus seiner Geiselhaft - haben in Düsseldorf auf eine Freiheitsstrafe von elfeinhalb Jahren plädiert. Dagegen forderte die Verteidigung einen Freispruch von den Anklagevorwürfen der Entführung und Nötigung von Verfassungsorganen. Lediglich bei dem ihren Mandanten zur Last gelegten Sprengstoffdelikten plädierten die Anwälte auf eine Gefängnisstrafe von „bis zu einem Jahr“, die durch die Untersuchungshaft längst abgegolten wäre. Es ist geradezu erstaunlich, was die Ankläger an Erkenntnissen über den Entführerkreis von Cordes und Schmidt an (auch von der Verteidigung nicht widerlegten) Fakten zusammengetragen haben, obwohl sie am Tatort selbst mangels eines funktionierenden Rechtshilfeabkommens mit dem Libanon keine Ermittlungen anstellen konnten. Die Rädelsführer der Geiselnahme sind ebenso bekannt wie deren Motive. Der in der Frankfurter Justizvollzugsanstalt einsitzende Mohammad Hamadi gilt bei den radikalen Schiiten als eine Art „Volksheld“, sein Familien– Clan zählt fast ausnahmslos zu den führenden Köpfen der Hiszbollah. Erwiesenermaßen hat der in Düsseldorf auf der Anklagebank sitzende Abbas Hamadi für seinen Bruder Anfang vergangenen Jahres Sprengstoff aus dem Libanon in die Bundesrepublik eingeschmuggelt. Hier schließt sich für die Bundesanwälte der Kreis. Der weitgehend unpolitische Abbas Hamadi habe sich vermutlich aus Geltungsdrang und akutem Geldmangel spätestens Ende 1986 der Hiszbollah angeschlossen und sich mit ihren terroristischen Aktionen „voll identifiziert“. Dem stehen die wiederholten Appelle des Angeklagten an der Cordes–Entführer entgegen, ihre Geisel „im Namen der Menschlichkeit“ endlich freizulassen. Darüber hinaus haben zahlreiche libanesische Landsleute des Angeklagten bekundet, daß sich Abbas Hamadi niemals mit der Hiszbollah identifiziert, sondern ihre Verbrechen entschieden abgelehnt habe. Tatsächlich hat keiner der 60 in diesem Verfahren vernommenen Zeugen den Angeklagten als einen der Entführer belastet - auch der 19jährige Libanese Bahaa Mahroum war sich nicht sicher, genausowenig wie der frühere Vermittler Rashid Mahroum. Er hatte von allen Zeugen als einziger unmittelbaren Kontakt zu den Entführern. Seine Glaubwürdigkeit wird zudem selbst von der Bundesanwaltschaft arg angezweifelt, nachdem er versucht hatte, aus den Geiselnahmen von Cordes und Schmidt selbst Kapital in Millionenhöhe zu schlagen. Am Ende bleiben nur zwei Sachbeweise. Da ist einmal das abgehörte Telefongespräch „Nummer 32“, in dem Hamadi, der sich zu dieser Zeit in Beirut aufhielt, auf die Frage, ob sie den Deutschen entführt hätten, antwortet: „Zu Hause, ja, bei mir.“ Im weiteren Verlauf dieses Telefonats spricht der Angeklagte davon, die Geiseln notfalls „trocken zu rasieren“ - was nach Ansicht des Sprachsachverständigen nichts anderes heißt als „schmerzhaftes Töten“ -, wenn die Bundesregierung ihren Forderungen nicht nachgebe. Die Fingerabdrücke des Angeklagten auf dem Brief des entführten Schmidt werteten die Bundesanwälte dafür, daß der 29jährige Deutsch–Libanese wegen seiner guten Deutschkenntnisse zumindest die Aufgabe gehabt habe, die Schreiben der Geiseln „auf versteckte Hinweise“ zu kontrollieren. Der Vorsitzende des 5. Strafsenats, Richter Klaus Arend, hat gleich zu Beginn dieses Verfahrens deutlich gemacht, daß sich dieses Gericht von neuerlichen Drohungen der Entführer „nicht beeindrucken“ lassen werde, und dieses Verfahren „bis zum Ende seinen rechtsstaatlichen Weg geht“. Schon deshalb scheinen Spekulationen, das Gericht werde wegen des unsicheren Schicksals von Cordes einen „Strafrabatt gewähren“, abwegig. Richter Arend hat den Schwarzen Peter der Bundesregierung zugeschoben, „die im Falle eines Schuldspruchs durch Verhandlungen“ immer noch für „ein glückliches Ende“ sorgen könne. Im Klartext: Hamadi könnte einfach an den Libanon ausgeliefert werden.