Wettangler als Tierquäler verurteilt

■ Hammer Amtsrichter widerlegt Descartes: Zwei Sportanglerfunktionäre zu Geldstrafen von je 1.200 Mark verurteilt / Gericht schließt sich Gutachtern an: Fische können Schmerz empfinden

Aus Bochum Jürgen Bischof

Zu je 40 Tagessätzen a 30 Mark wurden vor dem Hammer Amtsgericht zwei Sportfischerfunktionäre wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz verurteilt, weil sie im Juni 1980 ein Wettfischen in der Lippe organisiert hatten. Vor laufenden Kameras des WDR–Magazins „Monitor“ holten 45 eingeladene Angler aus allen Teilen der Republik über zehn Zentner Fisch aus dem Fluß und hielten bis zum endgültigen Abwiegen ihrer „sportlichen Leistung“ die Tiere in sogenannten Setzkäschern gefangen. Aufgrund des WDR–Berichts erstattete der Deutsche Tierschutzbund Anzeige gegen die Organisatoren wegen Tierquälerei. Angelpunkt der Verhandlung war die Anhörung von vier Sach verständigen am vergangenen Mittwoch, die zu der Frage gehört wurden, ob Fische überhaupt Schmerz empfinden könnten. Die These, daß Fische vollkommen schmerzunempfindlich seien, wurde vehement von den Sportanglern vertreten. Professor Horst Schröder, Fischwissenschaftler bei der Gesellschaft für Strahlen und Umweltforschung (GSF) in München führte diese Ansicht auf Descartes zurück, der gesagt habe „Das Tier ist eine Maschine.“ Schröder: „Ein unseliger Ansatz, der sich bis heute in der Naturwissenschaft fortgepflanzt hat.“ Für die Gutachter war es im Gegensatz zu den Anglern klar, daß ein Wettfischen, bei dem die Tiere mit Widerhaken gefangen und dabei an der Schleimhaut verletzt werden und nach einer artwidrigen Gefangenhaltung in engen Kä schern wieder in die Lippe freigesetzt werden, Straftatbestände des Tierschutzgesetzes erfüllt. Vor allem sei zu erwarten, daß sich die Fische in dem nicht gerade sauberen Wasser des Flusses Verletzungen und andere Infektionen in den verletzten Stellen der Schleimhaut holten, was möglicherweise zum späteren Tode führe. Der Zoologe Dr. Heinrich Spieser, ebenfalls von der GSF, versuchte nachzuweisen, daß Fische allein schon von daher schmerzempfindlich sind, weil sie ähnlich angeordnete Kopfnerven haben wie der Mensch. Selbst Fischzähne seien mit Nerven versehen. Dies ließ die Verteidiger der Sportfischer vollkommen unbeeindruckt. Sie versuchten, die Aussagen der Gutachter als unerheblich darzustellen, weil einer der Gutachter gesagt hatte, hundertprozentig könne er erst sagen, ob Fische Schmerz empfinden, wenn er selbst einer gewesen sei. Und so lange habe eben zu gelten, daß Fische keinen Schmerz empfinden könnten. Dem konnte sich das Gericht nicht anschließen. Es folgte statt dessen vollständig dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft. Der vorsitzende Richter: „Es darf nicht sein, daß Fische zum Sportgerät von Sportlern werden.“ Die Sportfischerzunft wird darauf drängen, daß diese Frage nun durch alle Instanzen geklärt wird. Die Verteidiger wollen erst einmal in Berufung gehen. Die damals beteiligten 45 Angler müssen nach dem heutigen Urteilsspruch damit rechnen, daß nun auch gegen sie wegen Tierquälerei ermittelt wird.