Die Patentierung des Lebens

■ In den Vereinigten Staaten wurde eine gentechnisch manipulierte Maus patentiert

In der vergangenen Woche hat das US–amerikanische Patentamt zum erstenmal ein mit den Mitteln der Gentechnologie verändertes Tier patentiert. Zum Zwecke der Krebsforschung von Menschen erschaffen, wird e undenkbar. Auch in der EG soll die Patentierung höherer Lebewesen demnächst ermöglicht werden.

Das US–amerikanische Patentamt nannte die Verleihung von Patent „Nummer 4.736.866“ vergangene Woche ein „historisches Ereignis“. Das Patent ging an zwei Wissenschaftler der Harvard– Universität für eine mit Methoden der Gentechnik hergestellte neue Mäuse–Art. Damit wurde erstmals ein höheres Lebewesen patentiert. Den Forschern war es gelungen, ein Gen, das bei entsprechender Aktivierung u.a. durch Umweltgifte für die Auslösung von Krebs verantwortlich und bei allen Säugetieren vorhanden ist, zu isolieren und in Mäuse–Embryonen einzusetzen. Dieses Gen wurde zuvor im Reagenzglas derart verändert, daß es besonders leicht zu aktivieren ist, mit der Folge, daß die so behandelten Tiere und ihre Nachkommen schneller und leichter an Krebs erkranken als herkömmliche Labortiere. Die Mäuse sollen in der Krebsforschung Aufschluß über die genetischen Grundlagen von Brustkrebs und die Wirkung von Krebsmedikamenten geben. Patentgebühren wird der Chemiekonzern Du Pont erhalten, der das Harvard–Projekt finanziert hat. Die Gebühren beziehen sich jedoch nicht ausschließlich auf die Maus. Patentiert ist in erster Linie die krebsauslösende Gensequenz, so daß auch für andere Tiere, in denen sie vorkommt, entsprechende Patentgebühren kassiert werden können. Die Maus war lediglich der patentierte Gegenstand. Als historischen Meilenstein feierten auch Vertreter der Biotechnik–Industrie die Entscheidung des Patentamtes. Die Kommerzialisierung der Biotechnologie habe eine bedeutende Hürde genommen, so ihre übereinstimmende Meinung. Vielerorts gab es jedoch Kritik an der unerwarteten Entscheidung. Führende Mitglieder des Kongresses protestierten in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Patentamtes und forderten ihn auf, keine weiteren Patente für Tiere mehr zu vergeben, bis der Kongreß in dieser Angelegenheit zu einer Entscheidung komme. Dem Amt liegen derzeit noch 21 weitere Anträge auf Patente für Tiere vor. Zur Zeit werden im Senat und im Repräsentantenhaus Gesetze diskutiert, die ein unbefristetes bzw. zweijähriges Moratorium für die Patentierung von Tieren vorsehen. Diese Gesetze wurden im vergangenen Jahr eingebracht, nachdem der Oberste Gerichtshof 1980, nach einer Klage eines Mikrobiologen, der ein ölfressendes Bakterium gezüchtet hatte, entschied, daß „alles unter der Sonne, das von Menschen gefertigt ist“, patentierbar sei. Die Stellungnahme des Patentamtes im vergangenen Jahr, nach dieser Entscheidung zu handeln, einte Kritiker der Biotechnologie, Vertreter von Tierschutzvereinen und Landwirtschaftsverbände in einer breiten Koalition gegen die Patentierung höherer Lebewesen. Michael Fox vom Tierschutzverband „Humane Society“ warnte, Patentierung bedeute, daß „der gesamte kreative Prozeß in höheren Lebensformen, einschließlich dem Menschen, zukünftig neu gerichtet oder kontrolliert werde, um den Bedürfnissen des Men schen zu dienen“. Er fügte hinzu: „Wir spielen nicht nur Gott; wir stellen uns über Gott.“ Auch Jeremy Rifkin, renommierter Biotechnologiekritiker, befürchtet eine weitreichende Kommerzialisierung der gesamten Tierwelt: „Sie haben die Privatisierung des gesamten Tierreichs zum Zweck des kommerziellen Profits legitimiert. Lebewesen werden zukünftig nicht anders behandelt werden als chemische Produkte, Autos oder Tennisbälle.“ Die Entscheidung des Patentamtes, so Rifkin, basiere letztendlich auf der Habgier der Konzerne. Die Verleihung eines Patents gibt dem „Erfinder“ eines Tieres 17 Jahre lang das Alleinrecht über sein „Produkt“. Im Fall der Harvard–Mäuse bedeutet das, daß niemand eine gleiche Maus „herstellen“ darf, ohne Patentgebühren zu zahlen. Wer die patentierten Mäuse vom Hersteller kauft, muß außerdem Gebühren für alle selbst gezüchteten Nachkommen zahlen. Werden in Zukunft immer mehr Versuchstiere patentiert, wird die medizinische Forschung erheblich teurer. Letztendlich kassieren die Pharmakonzerne, und die Patienten dürfen zahlen. Auch in der Landwirtschaft wird die Patentierung von Tieren den großen Landwirtschaftskonzernen zugute kommen, während kleinere Betriebe durch diese Entwicklung mehr und mehr in Abhängigkeit geraten. Keith Stroup, Rechtsanwalt für den Landwirtschaftsverband „League of Rural Voters“ (Verband ländlicher Wähler, der sich für den Erhalt kleiner Betriebe einsetzt) befürchtet eine zunehmende Konzentrierung in der Viehzucht durch die Biotechnik. Die Biotechnologen, allen voran das US–Landwirtschaftsministerium, so Stroup, entwickeln bereits neue Nutztiere wie das „Superschwein“ oder die „Superkuh“. Diese Tiere sind - entsprechend den Bedürfnissen des modernen Menschen - fettarm und zudem gute Futterverwerter; sie geben mehr Milch und sollen auch resistent gegen Krankheiten werden. Solche Tiere werden in Zukunft zweifelsfrei den Markt beherrschen. Können sie patentiert werden, sind sie für den kleinen Landwirt unerschwinglich. Dieser nämlich muß die Tiere nicht nur vom Biotechnikkonzern kaufen, sondern für jedes von ihm gezüchtete Jungtier Gebühren bezahlen. Kleine Betriebe würden auf diese Weise in völlige Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Großkonzernen geraten. „In drei bis fünf Jahren“, so Stroup, „werden die ersten gentechnisch hergestellten Nutztiere auf den Markt kommen.“ Zwar hat Patentamtsvorsitzender Donald Quigg, so die Kritiker der Entscheidung, nicht illegal, aber doch immerhin unerhört anmaßend gehandelt. Bisher habe das Patentamt bei größeren Neuerungen stets eine Entscheidung des Kongresses - so 1930 und 1979 bei der Patentierung von Pflanzen - oder des Obersten Gerichtshofes - 1980 bei der Patentierung gentechnisch veränderter Mikroorganismen - abgewartet. Entsprechend fordert Senator Mark Hatfield in seinem Gesetzesvorschlag zur Verhängung eines unbegrenzten Moratoriums für die Patentierung von Tieren, daß „eine solche monumentale Entscheidung über das Schicksal der Tierwelt“ nicht einigen wenigen Patentamtbeamten überlassen, sondern in der Öffentlichkeit des Kongresses diskutiert wird. Silvia Sanides