Gorleben–Befürworter in der Defensive

■ In einer Bundestagsanhörung über die Endlagerung waren selbst regierungsnahe Experten über die Eignung des Salzstocks unsicher / Die USA haben die Einlagerung in Salzstöcke bereits eingestellt

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Obwohl in den USA die Einlagerung zivilen Atommülls in Salz eingestellt worden ist, halten die regierungsnahen Sachverständigen in der Bundesrepublik am geplanten Endlager im Gorlebener Salzstock unbeirrt fest. Auf einer Anhörung im Umweltausschuß des Bundestags wollten die Vertreter der Kernforschungszentren und der Physikalisch–Technischen Bundesanstalt die amerikanischen Erfahrungen nicht hierher übertragen sehen. Im US–Pilotprojekt waren unerwartet große Mengen Wasser im 600 Meter tiefen Steinsalz aufgetreten. Die Entscheidung in den USA habe „nur politische und wirtschaftliche Gründe“, meinten die Gorleben– Befürworter ausweichend. Allerdings mußte Dr. Jaritz von der Bundesanstalt der Geowissenschaften und Rohstoffe einräumen, daß „leider vollkommen offen“ ist, ob der Salzstock über die erforderlichen großen Partien alten Steinsalzes verfügt. Diese Annahme war eines der Auswahlkriterien für Gorleben vor elf Jahren gewesen. Der Kieler Geologe Duphorn forderte hingegen die Untersuchung alternativer Standorte und prognostizierte, daß spätestens in den neunziger Jahren wegen der Nichteignung Gorlebens der Offenbarungseid geleistet werden müsse. Da auch die für 1993 geplante Inbetriebnahme von Schacht Kon rad nur eingehalten werden könne, „wenn bei der Sicherheitsüberprüfung gravierende Abstriche gemacht werden“, so der Physiker Helmut, müßten ohne Schacht Konrad dann neun Zwischenlager in der Größe Gorlebens gebaut werden. Sein Bremer Kollege Gerald Kirchner ergänzte das düstere Atommüll–Szenario um einen weiteren, bisher unbeachteten Aspekt: Die aus Frankreich und Großbritannien ab 1991 zurückkommenden Abfälle aus der Wiederaufarbeitung seien in ihrer Spezifizierung bisher unklar - bei den laufenden Verhandlungen über die Konditionierung dieses Mülls werde die Bundesrepublik Sicherheits–Kompromisse eingehen müssen. Trotz etlicher ungelöster Fragen hinsichtlich der Eignung Gorlebens trösteten sich die Befürworter unter den Wissenschaftlern und die CDU–Abgeordneten gegenseitig mit der Versicherung, die BRD habe eine „Spitzenposition“ in der weltweiten Endlager– Suche. Unbeschadet des Hearing–Ergebnisses sollen ohnehin die Arbeiten in Gorleben im Oktober weitergehen. In den vergangenen zehn Jahren sind dafür 540 Millionen Mark aus dem Bundeshaushalt ausgegeben worden: zusätzlich bekam Niedersachsen 320 Millionen Mark Pauschalzahlung. Zu konkreten Fragen des Schacht–Unglücks vor einem Jahr dauerte die Anhörung bei Redaktionsschluß noch an.