Anschlag auf Jüdisches Zentrum in Frankfurt

■ Schwerer Sachschaden, aber keine Verletzten / Nur wenig später Anschlag auf Büro der saudiarabischen Fluglinie / Täter noch unbekannt / Nahöstlicher Hintergrund?

Aus Frankfurt Antje Friedrich Metergroße Löcher in den Panzerglasscheiben und ein riesiger Scherbenhaufen zeugten am gestrigen Vormittag von dem Bombenanschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum im Frankfurter Westend. Während Beamte des Wiesbadener Landeskriminalamtes noch mit der Spurensicherung beschäftigt waren, besuchten Kinder bereits wieder die Schule des Zentrums. Einige Eltern ließen ihre Kinder aus Angst vor weiteren Anschlägen zuhause. Die Bombe detonierte gestern kurz nach Mitternacht vr dem 1986 eingeweihten Gemeindezentrum, in dem ein Restaurant, eine Schule, ein Kindergarten und die Verwaltung der 5.000 Mitglieder zählenden Gemeinde untergebracht sind. Wenige Minuten später erschütterte eine zweite Explosion das Büro der saudiarabischen Luftfahrtgesellschaft „Saudia“ in der Innenstadt. Nach Angaben des Pressesprechers des Wiesbadener Landeskriminalamtes, Hans Beilstein, ist ein Zusammenhang zwischen beiden Anschlägen nicht auszuschließen. Beilstein gegenüber der taz: „Es handlt sich in beiden Fällen um einen brisanten militärischen oder gewerblichen Sprengstoff. Ein Selbstlaborat ist auszuschließen.“ Die Frankfurter Polizei vermutete einen Zusammenhang mit den jüngsten Ereignissen im Nahostkonflikt. Konkrete Hinweise wie Bekennerschreiben oder -anrufe gingen jedoch noch nicht ein. Zwar habe die Polizei eine Fahndung nach zwei PKWs eingeleitet, die von Anwohnern in der Nähe des Gemeindezentrums beobachtet worden waren. Bis zur Stunde gibt es allerdings noch keine Ergebisse. Generalbundesanwalt Rebmann zog die Ermittlungen zunächst nicht an sich. Eine Sprecherin in der Jüdischen Gemeinde schätzt den entstandenen Sachschaden auf eine knappe Million Mark. Menschen kamen bei den Anschlägen nicht zu Schaden. Offenbar bewährten sich die in dem Gebäude eingebauten Panzerglasscheiben. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4

Die Fassade des Zentrums der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt nach dem Bombenanschlag in der Nacht zum Montag. Foto: ap

Zudem fing ein vor dem Gebäude abgestellter VW–Bus einen Teil der Druckwelle ab. Nach Angaben eines weiteren Mitgliedes der Gemeinde befanden sich kurz zuvor noch Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung zum Palästinakonflikt im Gebäude. Das Hessische Innenministerium bestätigte inzwischen Meldungen, wonach zwischen Ministerium und Gemeinde seit Monaten Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen bestehen. Danach habe die Ge meinde die Polizeipräsenz in Frankfurt als unzureichend empfunden. Die Forderung nach mehr Polizeischutz sei vom Innenministerium und dem Frankfurter Polizeipräsidium wegen Personalknappheit abgelehnt worden. Der Grüne Dany Cohn–Bendit meinte in einer ersten Stellungnahme gegenüber der taz: „Wer auch immer glaubt, mit Bombenanschlägen gegen jüdische Einrichtungen außerhalb Israels gegen den Zionismus zu kämpfen, untermauert ihn in Wahrheit. Denn die Zionisten wollen, daß Israel für alle Juden der Diaspora steht und spricht.“ Er sei gegen Terrorismus sowohl staatlicher als auch imperialistischer Prove nienz, z.B. nach Art der Mossad– Anschläge. Der Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Galinski, forderte den Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Boge, in einem nur wenige Stunden nach den Anschlägen veröffentlichten Brief auf, die jüdischen Einrichtungen besser zu schützen. Für die Sicherheit jüdischer Bürger sei allein die Bundesrepublik verantwortlich. Galinski: „Es ist mir unverständlich, daß heute noch - insbesondere angesichts der wachsenden Zahl der täglich eingehenden Droh– und Schmähbriefe - jüdische Gemeinden auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie über ihre Landespolizeistellen einen ausreichenden Schutz für ihre Einrichtungen zu gewährleisten suchen.“ Direktor Szajak sagte, die Jüdische Gemeinde in Frankfurt werde sich bemühen, ihre Arbeit wie gewohnt fortzusetzen. Der innenpolitische Sprecher der CDU/ CSU–Bundestagsfraktion, Gerster, hat die Bombenanschläge verurteilt. Sollte es sich bei den Tätern um Ausländer handeln, müßten sie wissen, daß sich die Bundesrepublik solcher terroristischer Aktivitäten „mit aller Konsequenz, zu der unser Rechtsstaat fähig ist, erwehren“ werde. „Ausländer, die bei uns Rache oder Gewalt üben wollen, haben hier nichts zu suchen und sind auszuweisen.“