Strafexpedition der USA hat ungeahnte Folgen

■ Reagan: Angriff auf Bohrplattform soll keine Eskalation im Golfkrieg provozieren / Schlagabtausch bringt US–Armada in bedrohliche Situation / Reagan–Administration von iranischer Reaktion überrascht / Kongreß befürwortet die militärische Aktion

Aus Washington Stefan Schaaf

US–Präsident Reagan wich am Montag nachmittag nur kurz vom Text seiner Rede vor in Washington versammelten Bauunternehmern ab, um sich zu den jüngsten militärischen Auseinandersetzungen im persischen Golf zu äußern: „Unsere Aktion hatte den Zweck sicherzustellen, daß der Iran keine Illusionen über die Kosten unverantwortlichen Verhaltens hegt. Wir beabsichtigen, weitere iranische Aggressionen abzuschrecken, nicht zu provozieren.“ Dem vorausgegangen waren die bisher heftigsten Kämpfe zwischen der US–Marine und iranischen Schiffen, die Radio Teheran zu der Proklamation veranlaßt hatten, die USA seien „in den Golfkrieg eingetreten“. Begonnen hatten die Auseinanderset zungen am Montag morgen, als drei US–Kriegsschiffe die iranische Plattform Sirri angriffen und deren Besatzung zum Verlassen der Bohrinsel aufforderten. Die US–Regierung hatte dem Iran eine militärische Reaktion angedroht, nachdem am vergangenen Donnerstag ein amerikanisches Schiff, die „Samuel Roberts“, auf eine Mine gelaufen war und in den Tagen darauf weitere Minen im Golf gefunden wurden. Seit Freitag war im Weißen Haus ein Plan mit verschiedenen, abgestuften militärischen Reaktionen ausgearbeitet worden. Laut Verteidigungsminister Carluccis glichen die neuen Minen den Sprengsätzen, die im September 87 auf dem iranischen Boot „Iran Ajr“ gefunden wurden. Die militärischen Auseinandersetzungen im Persischen Golf haben die Präsenz von mehr als 20 US–amerikanischen Kriegsschiffen wieder ins Bewußtsein zurückgeholt, die dort seit mehreren Monaten Öltanker auf ihrem Weg von Kuwait durch die Straße von Hormuz in den Indischen Ozean eskortieren. Es war seit einiger Zeit nicht mehr zu Zwischenfällen gekommen. Die neu aufgetauchten Minen und der militärische Schlagabtauschhaben die US–Armada nun in eine bedrohliche Situation gebracht, in der niemand die nächsten Ereignisse voraussehen kann. Die Reagan–Administration, die von der heftigen iranischen Reaktion auf ihre Aktion überrascht wurde, versuchte am Abend zu signalisieren, daß es den Angriff auf die beiden Bohrplattformen nicht als ersten Schritt zu einer Eskalation der Auseinander setzungen verstanden haben will. Reagan sagte, die USA könnten erst dann normale Beziehungen mit dem Iran aufnehmen, wenn dieser „aufhöre, neutrale Schiffe anzugreifen, den Terrorismus zu unterstützen, seine Nachbarn zu bedrohen und den blutigen Krieg mit dem Irak fortzusetzen“. Die USA versuchen seit Monaten, wenn auch ohne viel Erfolg, in den UNO–Gremien ein internationales Waffenembargo gegen den Iran durchzusetzen. Im Kongreß in Washington wurde die militärische Aktion von Sprechern beider Parteien gutgeheißen, doch tauchten neue Fragen über den Sinn der Eskortierungspolitik im Golf auf. Die Kongreßführung war vorab von der bevorstehenden Aktion informiert worden. Der demokratische Senator Claiborne Pell, der Vorsitzender des Außenpolitischen Ausschusses ist, sagte, die Militäraktion sei ein Zeichen an den Iran, „die USA nicht für Dummköpfe zu halten“. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Albert Gore begrüßte die Aktion, während sein Konkurrent Michael Dukakis sich dazu nicht äußern wollte, bevor er besser informiert sei. Jesse Jackson nannte die Golfpolitik der Reagan–Administration „schlecht und ineffektiv“. Andere Experten in Universitäten und Denkfabriken der USA spekulierten über die iranischen Motive, derart massiv auf den US–Angriff zu reagieren. Sie wiesen auf die jüngste erfolgreiche irakische Offensive zu Land und auf die gegenwärtig laufende Wahlkampagne im Iran hin, die das Verhalten der Verantwortlichen dort beeinflussen.