Schwule vermuten „Rosa Listen“

■ Rasterfahndung in Kölner Schwulenszene? / Streit um Ermittlungsarbeit der Kripo / Nach Mordfall an homosexuellem Kellner wurden 119 Schwule vorgeladen / Datenschutzbeauftragter des Landes eingeschaltet

Berlin (taz) - Die Existenz von „Rosa Listen“ und eine daraus resultierende „Rasterfahndung in der Schwulenszene“ wird der Kölner Kriminalpolizei vorgeworfen. Die Schwulen– und Lesbengruppe „Gay Liberation Front“ (GLF) berichtete gestern über die Hintergründe. Die Polizei dementierte. Am 30. Januar wurde in Köln ein 38jähriger Kellner in seiner Wohnung ermordet aufgefunden. Die bisherigen Ermittlungen der Polizei haben ergeben, daß der Ermordete schwul war und mit dem Täter kurz zuvor sexuellen Kontakt hatte. Auch eine ungefähre Personenbeschreibung des vermuteten Täters durch eine Nachbarin und seine Blutgruppen–Zugehörigkeit liegen der Polizei vor. Mit diesen Tätermerkmalen wurde eine Fahndung eingeleitet und im Zuge der Ermittlungen - wie die Polizei bestätigt - 200 Schwule sondiert. 119 von ihnen wurden vorgeladen und mußten ihre Blutgruppe nachweisen. Doch woher hatte die Polizei die Adressen von 200 Schwulen? Gibt es noch immer „Rosa Listen“, also ein Verzeichnis homosexueller Männer? Kölns Polizeisprecher Werner Schmidt: „Wir können hier wirklich aus tiefstem Brustton der Überzeugung dementieren.“ Am Tatort, so Schmidt weiter, habe man das Adreßbuch des Ermordeten mit 90 Adressen und Telefonnummern gefunden. Bei der Er mittlungsarbeit in der homosexuellen Szene habe man weitere Namen erfahren. Im übrigen hätten alle Vorgeladenen großes Verständnis für die Ermittlungsarbeit gezeigt. „Wir können doch nicht aus Rücksicht auf die Homosexuellen auf die Ermittlungen verzichten.“ Michael Baum von der GLF nannte dagegen gestern die Zahl von elf Schwulen, die sich aus Empörung über die polizeiliche Vor ladung bei der Kölner Organisation gemeldet hätten. Sie alle hätten nicht das Geringste mit dem Ermordeten zu tun und könnten sich überhaupt nicht erklären, weshalb sie vorgeladen worden seien. Die Vorladung sei außerdem keine Zeugen–, sondern eine Beschuldigten–Vernehmung gewesen, bei der die Geladenen über die Blutgruppe ihre Unschuld beweisen müßten. Die GLF erinnerte gestern auch an einen Vorfall vor acht Jahren. 1979 hätten drei Kölner Polizeibeamte vor Gericht zugeben müssen, daß sie die Schwulenszene bespitzelt, Namen notiert und fotografiert hätten. In den Streit hat sich inzwischen auch der NRW–Datenschutzbeauftragte Hans Maier– Bode eingeschaltet. Er schickte gestern ein „sehr detailliertes Auskunftsersuchen“ an den Polizeipräsident der Domstadt. Manfred Kriener