: „Eine neue Form der Eugenik“
■ Mit drei Mrd. Dollar Steuergeldern wollen die USA in den kommenden Jahren die Erforschung der Grundbausteine des menschlichen Erbguts finanzieren / Die Opposition formiert sich
Aus Washington Silvia Sanides
Die Gesamterfassung des menschlichen Erbguts hat weitreichende soziale, ethische und wirtschaftliche Folgen, und die Forschung auf diesem Gebiet muß deshalb öffentlich diskutiert und beaufsichtigt werden. Diese Ansicht vertraten am Dienstag über 70 Vertreter von Gesundheits– und Verbraucherschutzgruppen, Bürgerrechts– und Frauenorganisationen, sowie Gewerkschaften und Kirchen auf einer Pressekonferenz in Washington. Die Erfassung der drei Milliarden Grundbausteine des menschlichen Erbguts soll in den kommenden Jahren mit rund drei Milliarden Dollar Steuergeldern finanziert werden. Die Wissenschaftler erklären, mit dem neuen Wissen jenen helfen zu wollen, die an einer der über 3.000 heute bekannten Erbkrankheiten leiden. Außerdem sollen dadurch wirksamere Medikamente entwickelt werden. Dagegen warnten Sprecher der unterschiedlichsten Gruppierungen am Dienstag vor den Möglichkeiten des Mißbrauchs dieser Forschung. „Wir sind mit der sehr wahrscheinlichen Möglichkeit einer neuen Form der Eugenik konfrontiert“, so Biotechnologiekritiker Jeremy Rifkin, „genetische Untersuchungen werden zum Alltag gehören, und das Wissen von der Erbsubstanz eines Individuums wird von den Regierungen und privat zur Diskriminierung mißbraucht werden.“ Firmen, Versicherungsgesellschaften und Regierungseinrichtungen ebenso wie Vertreter des Bildungswesens und der Polizei hätten bereits ihr Interesse an genetischen Untersuchungen bekundet. Auf der Pressekonferenz forderten die verschiedenen Gruppen die Bildung eines Kongreßausschusses zur Überwachung der Erforschung des menschlichen Erbguts. Der Ausschuß solle von einem Komitee beraten werden, dem Mitglieder der Bürgerrechts– und Arbeiterbewegung sowie Vertreter des Bildungswesens und des Verbraucherschutzes wie Experten der Bioethik und Sprechern von Behindertengruppen angehören. Rifkin erklärte gegenüber der taz, eine entsprechende Gesetzesvorlage werde voraussichtlich innerhalb der nächsten Wochen im Kongreß eingebracht werde.
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