Auch Bambi ist ein Porno

■ Berliner Programmkino zeigt Filmreihe „10 Anmerkungen zu Pornographie und Zensur“ / Anlaß: „Sputnik“ war von Frauen gestürmt worden, weil es 40er–Jahre–Pornos zeigte / Streit um Porno wird jetzt friedlich diskutiert

Seit dem großen Vorstoß von Emma gegen Pornographie steht das Thema Pornographieverbot allerorten zur Diskussion und hat in selbstklebender Form als PorNo– Parole schon einige Quadratmeter bedeckt. Bei allem Eifer, der dabei an den Tag gelegt wird, geht leider eine ganze Menge verloren: Zunächst einmal eine klare Definition dessen, was an Pornographie überhaupt zu bekämpfen ist; und dann auch ein Gespür dafür, welche Umgehensweise damit sinnvoll und angebracht ist. Im Berliner Sputnik–Kino läuft zur Zeit eine Film– und Diskussionsreihe unter dem Motto „10 Anmerkungen zu Pornographie und Zensur“. Die Idee dazu entstand, als vor etwa zwei Monaten in Berlins engagiertestem Programmkino Antik–Pornos aus den 20er und 40er Jahren gezeigt worden waren. Das nämlich hatte eine Gruppe von etwa 50 maskierten Frauen zum Anlaß genommen, das Kino heimzusuchen, die Vorstellung zu unterbrechen und einen Sachschaden von etwa 7.000 Mark zu hinterlassen. Ob dieser Aktion schlugen die Wellen hoch: sowohl die der Begeisterung als auch die der Empörung. Die KinomacherInnen entschlossen sich daraufhin, der Streitfrage PorNo oder Porno - au ja! eine solide Basis zu geben. Im Verlauf von 10 Tagen werden jeden Abend Filme gezeigt, die verschiedene Aspekte des Komplexes Pornographie behandeln. Wenige davon sind schlichtweg Anschauungsmaterial; einen großen Teil des Programms bilden Filme über Pornofilme und Filme von Frauen zum Thema. Das Repertoire reicht von Pornos der 20er und 40er Jahre über ein Feature zu den Anfängen der bundesdeutschen Sexfilmindustrie „Sexbusiness made in Pasing“ zu Underground–Filmen aus den 60er und 70er Jahren. Nach jeder Vorstellung wird eifrig und emotional von einem Publikum diskutiert, dem man durchaus unterschiedliche sexuelle Vorlieben unterstellen kann. Dabei geht es letztlich um die Frage nach der Existenzberechtigung der Pornographie - im Film. Die beiden gegensätzlichen Positionen - einmal die als feministisch gehandelte, daß Pornographie als solche schon frauenfeindlich und deshalb zu verbieten sei, und, auf der anderen Seite, die liberale Position, daß sowieso gar nichts verboten werden soll und jede(r) nach eigenem Lust– und Gutdünken Pornofilme konsumieren oder es lassen kann - stehen einander mehr oder weniger erbittert gegenüber. Für eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Porno genügt es aber nicht, schlicht und grundsätzlich liberal oder feministisch zu sein. Da wäre zunächst einmal zu klären, ob die unterstellte Frauenfeindlichkeit auch wirklich immer zutrifft. Ein Beispiel: In einem der gezeigten Filme, „Variety“ von Bette Gordon, erzählt die weibliche Hauptfigur ihre eigenen erotischen Phantasien. Sie erzählt sie nur, wohlgemerkt, als Bilder sind sie nicht zu sehen. Als Geschichten durchaus reizvoll, zweifellos pornographisch - aber keinesfalls frauenfeindlich. Wären die Geschichten aus ihrem Zusammenhang genommen und als Pornofilm vorgeführt worden, würden sie dann nicht ganz anders und des Verbots würdig betrachtet werden? Wenn eine Frau sich in ihrer Phantasie mit einer Schlange, einem Tiger und zu guter Letzt noch mit einem Mann vergnügt - ist das etwas grundsätzlich anderes, als wenn sich ein Mann dasselbe vorstellt? Fest steht, daß in den meisten Erzeugnissen auf dem Pornomarkt die Verachtung für die dargestellten Frauen eine wesentliche Rolle spielt. Fest steht, daß die Qualität der allermeisten Pornofilme einfach nicht vorhanden ist. Aber es ginge vermutlich auch anders. Es gibt unglaublich wenig weibliche Pornographie im Film, aber das kann nicht daran liegen, daß Pornos grundsätzlich schlecht und Frauen die besseren Menschen sind. Ich denke, die heftige Ablehnung pornographischer Bilder kommt daher, daß in ihnen all das zu kulminieren scheint, was am Selbstwertgefühl von Frauen alltäglich nagt. Aber Pornographie ist eben nicht Alltag, sondern eine ganz bestimmte Form erotischer Darstellung. Alltag, filmischer Alltag, ist vielmehr das, was uns in den vielen, ganz unschuldigen und jugendfreien Kino–, Fernseh–, Video– und Werbefilmen begegnet. Deshalb haben die Sputnik–Leute auch „Bambi“ von Walt Disney im Programm. Katharina Döbler