Windenergie aus vielen kleinen Rädern

■ Deutsch–niederländische Tagung in Leer sieht große Zukunft für die Öko–Technik / Über 300 Naturwissenschaftler, Techniker und Produzenten für angepaßte dezentrale Windenergie–Nutzung

Aus Bremen Dirk Asendorpf

Windenergie hat Zukunft. Zwar gibt es keine Patentlösung für die Umwandlung der steifen Brisen Norddeutschlands in Strom, Wärme oder Kraft, dafür aber viele Ideen und Projekte. Mit diesem Ergebnis trennten sich am Sonntag abend über 300 ExpertInnen und InteressentInnen der Windenergie am Ende einer zweitägigen Tagung im ostfriesischen Leer. 40 Referate von Physikern, Metereologen, Ingenieuren, Energieexperten und Windrad– Produzenten lagen hinter ihnen, als die TeilnehmerInnen am Sonntag nachmittag zur Besichtigung kleiner Selbstbau–Windkraftanlagen übers platte ostfriesische Land fuhren. Mehrere tausend Windmühlen gab es noch vor 100 Jahren im Nordwesten Deutschlands. Zur Zeit sind es vor allem die fünf großen Räder des im letzten Herbst eröffneten Windparks Norddeich, die in der Region solch ökologischer Energieproduktion dienen. Mit einem Preis von weniger als zehn Pfennig pro KWh ist der Windpark–Strom bereits heute „voll konkurrenzfähig“, erläuterte der Nordener Stadtwerke– Techniker Schönball auf der Tagung. Und statt der von Gegnern prophezeiten Landschaftsverschandelung seien die Windräder heute Wanderziel der Küstenurlauber. „Wenn die Rotoren mal gewartet werden, rufen uns die Touristen an und fragen, was los ist“, berichtete Schönball von der großen Aufmerksamkeit für die Öko–Technik. Vorbereitet wurde die Tagung von der Volkshochschule in Leer gemeinsam mit der niederländischen Arbeitsgruppe „Windenergiebenutting“. Seit dem ersten Treffen vor zwei Jahren hat sich eine enge Zusammenarbeit über die Ems hinweg entwickelt. Doch während in der BRD immer noch Monopol–Gesetze die Ausbreitung dezentraler Windenergienutzung verhindern, wird in den Niederlanden die Errichtung kleiner Anlagen fast zur Hälfte staatlich subventioniert. In Dänemark nutzen Bauern ähnliche Subventionen bereits, um ihre von EG–Quoten bedrohten Höfe auf ein neues „Erzeugnis“ umzustellen: Aus Landwirten werden Wind– Müller. Mit den niederländischen Plänen, bereits 1992 die Stromerzeugung aus Windenergie auf 100 Megawatt zu steigern und im Jahr 2000 bereits 2.000 Megawatt zu erreichen, können sich die Perspektiven östlich der Ems kaum messen. Dennoch berichtete Alois Wobben von der Auricher Firma „Enercon“ von Berechnungen im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, die eine Erzeugung von 300 MW Windenergie im Küstenraum für realistisch halten. Diese Strommenge, die der Leistung des Schrottreaktors in Stade entspricht, wird jedoch nicht aus Großanlagen wie der Nordener fließen, sondern aus der dezentralen Nutzung kleiner und mittlerer Windräder. Wenig Zukunft werden den bei MBB konstruierten Riesen–Rädern mit einer Leistung von 500 KW gegeben. Doch der selbstverwaltete Bremer Maschinenbau– Betrieb „AN“ hofft auf guten Umsatz der Windrad–Produktion, die er jetzt mit einer Lizenz des dänischen Herstellers „Bonus“ aufnehmen will. Qualifizierte Arbeitskraft hierfür ist nach den Werften–Pleiten in Bremen und Friesland mehr als reichlich vorhanden. „Die gesamte Technik ist bis zur Produktionsreife entwickelt“, hieß es immer wieder von den Referenten der Tagung in Leer. Doch die Nutzung der Windenergie scheitert zur Zeit häufig noch an Bestimmungen, die dezentral erzeugten Strom bei einer Einspeisung ins Netz unterbewerten. Die Stromunternehmen fürchten um ihr Monopol und können sich Windenergie, wenn überhaupt, dann nur in Großanlagen vorstellen. Und die Kommunalpolitiker sind den kapitalkräftigen Strom– Konzernen häufig ausgeliefert. Ohne Ergebnis blieb denn während der Tagung auch nur die Podiumsdiskussion mit einem Vertreter der Landesregierung in Hannover. „Keine Sachkompetenz“ bescheinigten ihm die Wind–Experten und dachten zornig an das gerade in Betrieb genommene AKW Lingen II und an den zweiten Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl.