Özal verärgert Pressezaren

■ Das staatliche Papiermonopol der Türkei beantwortet kritische Zeitungsberichte mit Erhöhungen der Papierpreise / Ministerpräsident erstattet Anzeige wegen Beleidigung

Aus Istanbul Ömer Erzeren

Verärgert griff der türkische Pessezar Brol Simavi höchstpersönlich zur Feder, um in Riesenlettern auf Seite 1 der auflagenstärksten türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ mit Özal abzurechnen: „Werter Herr Ministerpräsident. Die Herzoperation, der Sie Sich unterzogen haben, hat offensichtlich tiefe Spuren in Ihrer Persönlichkeit hinterlassen. Sie hassen die Presse. Was für ein verrufenes System ist es doch, wo auf einen Fingerwink von ihnen Staatsanwälte Sonntagsarbeit machen und Zeitungen beschlagnahmen. Was sind das für unehrenhafte Staatsbetriebe, die auf ein Augenzwinkern von Ihnen Sonntagnacht zu später Stunde horrende Preisaufschläge für Zeitungspapier verfügen.“ Ursache des giftigen Briefes war eine 35–prozentige Erhöhung der Papierpreise, nur wenige Tage, nachdem die türkischen Tageszeitungen ihre Verkaufspreise der inflationären Entwicklung angeglichen hatten - ein offensichtlicher Racheakt der Regierung, die mit der Berichterstattung unzufrieden war. Özal, der Privatisierungskünstler auf den Pfaden Thatchers, beharrt in der Papierindustrie auf dem staatlichen Monopol, das nach seinen Anweisungen die Papierpreise festlegt. Während die Inflationsrate in den vergangenen acht Jahren 1.400 Prozent beträgt, stiegen die Preise für Zeitungspapier um das 79fache, eine Erhöhung um 7.890 Prozent. Unliebsame Presseattacken pflegt der Ministerpräsident ganz dezent mit Preisaufschlägen seines staatlichen Papiermonopolisten SEKA zu beantworten: Die staatliche Rundfunk– und Fernsehanstalt, ein Propagandasender der Regierung, profitiert allemal davon. „Es gab einst die Gewaltenteilung - Legislative, Exekutive und Justiz. Sie haben die Gewalten vereint. Alles heißt jetzt Özal“,schrieb Simavi in seinem offenen Brief. Der Machtkampf zwischen Pressegiganten und Regierung war eingeleitet. Die Tage darauf sah sich Özal einer Kampagne der selten so vereinten türkischen Presse ausgesetzt. Die unterschiedlichen politischen Ansichten spielten keine Rolle mehr. Özal war das Feindbild, die Pressefreiheit war bedroht. Die sozialdemokratische wie die konservative Opposition leisteten den Tageszeitungen Schützenhilfe. Selbst der Ex–Putschist und gegenwärtige Staatspräsident Kenan Evren, der nicht gerade zimperlich im Umgang mit Oppositionellen ist, gab Özal den Ratschlag, sich nicht ganz mit der Presse zu verderben. Immerhin ist Simavi mit seinem Hürriyt Konzern einer der einflußreichsten Kapitalisten im Lande. Doch Özal will nicht aufgeben. Er stellte Strafantrag gegen Dimavi wegen „Beleidigung und Schmähung des Türkentums, der Großen Nationalversammlung und der Regierung“. Auf den Paragraphen 159 stehen Zuchthausstrafen von einem bis zu sechs Jahren. Ansonsten vertraut Özal, der sich selbst für ein Wirtschfsgenie hält, auf das freie Spiel der Marktkräfte: „Es gibt 2,5 Millionen Arbeitslose im Lande. Wenn 1.000 Journalisten dazukommen, ist das gar nicht so übel.“