WDR–Redakteur abgemahnt und versetzt

■ WDR maßregelt Redakteur wegen Cromme–Kriwet–Tonband / Chef vom Dienst der Aktuellen Stunde wurde abgemahnt und versetzt Fernsehdirektor Günter Struve (SPD) „ausgerastet“ / Im WDR „der Bär los“ / Personalrat vor Abmahnung nicht gehört / Kollegen schweigen

Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Im Westdeutschen Rundfunk (WDR) hat die Live–Abspielung der entscheidenden Passagen des abgehörten Telefonats zwischen den beiden Stahlbossen Gerhard Cromme (Krupp) und Heinz Kriwet (Thyssen) zu ersten personellen Konsequenzen geführt. Die regionale Fernsehsendung Aktuelle Stunde hatte am 10. April entsprechende Teile des Tonbandes live abgespielt und damit der von interessierter Seite angeregten Diskussion um die Authentizität des von der taz am 9.4. dokumentierten Gespräches den Boden entzogen. Nach den Berichten in der Aktuellen Stunde war im WDR „der Bär los“, berichten WDR–Mitarbeiter. Der für die Sendung verantwortliche Chef vom Dienst, Manfred Seckinger, mußte jetzt für seine journalistische Entscheidung, das Band wegen des hohen öffentlichen Interesses abzuspielen, büßen. Wie der WDR–Pressesprecher Jürgen Wessalowski gegenüber der taz bestätigte, ist Seckinger von seiner Funktion „entbunden“ und „abgemahnt“ worden. Gleichzeitig wurde Seckinger ins Studio Köln, zum „dortigen lokalen“ Fernsehfenster versetzt. Die Maßnahmen seien ergriffen worden, so der WDR Sprecher, weil Seckinger gegen Dienstvorschriften und gegen das WDR–Gesetz verstoßen habe. Ferner bestehe „der Verdacht“ auf Verletzung „strafrechtlicher Bestimmungen“. Welche Strafvorschrift der WDR verletzt sieht, wollte Wessalowski „im Interesse des Betroffenen“ nicht sagen. Der Personalrat des WDR, von der taz am Montag befragt, wußte von der Abmahnung offiziell nichts. „Normalerweise“, so Personalrat Axel Hoffmann, werde der Rat „vor einer Abmahnung gehört.“ Das sei auch „gesetzlich vorgeschrieben“. Eine Bewertung der Maßregelung mochte Hoffmann nicht abgeben. Abmahnungen seien im WDR aber „äußerst selten“. Auch der Redakteursausschuß verweigerte jede Stellungnahme. Beründung: Man sei offiziell nicht angerufen worden und nicht über alle Details in formiert. Im übrigen hätte man hausintern Schlimmeres abwenden können, „denn es gab ja auch die anderen Kräfte, die den Rausschmiß wollten“. Wohl wahr. Doch geheim aufgezeichnete Bild– und Tonbanddokumente wurden im WDR auch schon früher veröffentlicht. So hat z.B. 1984 die Monitor–Redaktion im Zusammenhang mit einer Reportage über Industrieansiedlungen geheim aufgezeichnetes Material gesendet. Vielleicht sind die „Kräfte“ in diesem Fall WDR–intern aber auch einfach zu übermächtig. Als entscheidende „Kraft“ hat sich einmal mehr Fernsehdirektor Günter Struve (SPD) dargestellt. Struve, zu Zeiten der SPD–Regierung in Berlin Senatssprecher (1973–77), ist wegen der Berichterstattung in der Aktuellen Stunde schier „ausgerastet“ und hat die „fristlose Kündigung“ verlangt. Schon der erste Bericht am Samstag, dem 9.4., der Tag der taz–Veröffentlichung - also einen Tag vor der live–Abspielung des Bandes, führte zu einem sonntäglichen Überraschungsbesuch von Struve in der Redaktion der Aktuellen Stunde. Dort ließ sich Struve den Mitschnitt der samstäglichen Sendung vorführen. Während der Sendung am 9.4. hatte der Moderator Andreas Ernst zur taz–Veröffentlichung gesagt: „Aufklären, wo die Linie der Wahrheit verläuft, können wir es im Moment nicht. Nur erinnert einen dieses ganze Spiel, diese politischen Nebelbomben, die da geworfen werden, an etwas, das wir vor wenigen Monaten in Schleswig–Holstein erlebt haben. Auch da fiel es uns schwer, zunächst mal entschlossen zu sagen, da ist die Linie der Wahrheit.“ Die Landesregierung war über diese Moderation empört. Noch während der Sendung rief der Regierungssprecher in Köln an und übermittelte ein Dementi. Am nächsten Tag folgte nachmittags der oben erwähnte Auftritt von Struve, dem eine außergewöhnliche Nähe zur Düsseldorfer Staatskanzlei nachgesagt wird. Den Mitschnitt kommentierte Struve als „bodenlos“ und „unglaublich“. Am gleichen Abend brachte die Aktuelle Stunde dann das Tonband live. Unmittelbar danach folgte ein Interview mit Friedhelm Farthmann, der selbst an dem Gespräch mit den Stahlbossen, über das Cromme seinem Kollegen Kriwet auf dem Band berichtet, teilgenommen hatte. Farthmann nutzte in einem längeren Interview die Gelegenheit, um klarzustellen, daß der Gesprächsverlauf genau gegenteiligen Inhalts gewesen sei. Wer nun glaubte, der Ausgewogenheit sei genüge getan, der irrte. Jetzt stand nicht mehr der Gesprächsinhalt, sondern die illegale Abhöraktion im Zentrum der WDR–internen Auseinandersetzung. Die hausinterne Verwirrung war komplett. Einige WDR– Journalisten orientierten sich am Justitiar des Hauses, der die Parole ausgegeben hatte, „viel Konjunktiv benutzen“, was dazu führte, daß im WDR mal vom Cromme–Kriwet–Gespräch, dann wieder vom „angeblichen Tonbandmitschnitt“ die Rede war, obgleich die Zuschauer das Band im WDR–Fernsehen bereits live erlebt hatten. Im Dunkeln steht jetzt ausgerechnet derjenige, der im Interesse der Öffentlichkeit Licht und Klarheit in dieses Verwirrspiel gebracht hat.