Nur wenig Hoffnung auf das Reich der Sonne

■ Rückblick auf die Hannover–Messe 88: Sonnentankstelle, gespeicherte Windkraft und die moderne Dampfmaschine / Entwickler klagen über ungenügende Zuschüsse

Aus Hannover Th. Hestermann

„Kommen Sie nur“, sagt Klaus Helmut Rattay und bahnt sich seinen Weg durch eine Gruppe heftig diskutierender Japaner. Der 51jährige Mechaniker und Elektroingenieur, der seit 1955 nur wenige Hannovermessen ausgelassen hat, lotst mich an den Gemeinschaftsstand der Berliner Betriebe Wuseltronick, Südwind und Wärme–Versorgungsgesellschaft. Respektvoll berührt Rattay die knallrote Windmaschine Südwind E 710: „Sehr solide Arbeit“. Ihre drei Rotorblätter sind mit Federn elastisch geladen, falten sich bei Sturm wie ein Regenschirm zusammen. Das dämpft die Schwingungen und schont die Lager, erklärt Julius Thaler von der Wuseltronick. Der Betrieb erhielt 120.000 Mark vom Berliner Senat, um die Belastungen von Windmaschinen exakt zu messen - ein wichtiger Schritt zu ihrer Weiterentwicklung. In einer Simulation zeigt Thaler, wie etwa bei einem einsamen Bauernhof ein Dieselaggregat und eine Windmaschine kombiniert werden können: „Zuerst mal machen wir Wind“, sagt er und schaltet ein Gebläse an. Wenn er jetzt die Heizung hochdreht, fängt es plötzlich an zu brummen: Der Dieselmotor hat sich automatisch dazugeschaltet. „Was früher viel Aufwand bereitet hätte“, lobt Rattay und eilt an chromblitzenden Gerüsten, einem Goldfischteich aus Plastik und einer Jazzkapelle vorbei zur Halle 7. Die Windkraft ist unerschöpflich, doch wie Reserven schaffen für Windstille? Lehrende und Studenten der Fachhochschule Wiesbaden arbeiten an der Lösung. Ihre Windkraftanlage am Feldberg (Taunus) soll voraussichtlich ab Juni überschüssigen Strom elektronisch in Wasserstoff umwandeln. Und das, erklärt der Elektrotechnikstudent Thomas Derichs, bereits mit 70 Prozent Wirkungsgrad, zukünftig eher mehr. Wenn sich die Rotorblätter nicht drehen, verbrennt ein Ottomotor die Wasserstoffreserven, die Anlage wird so am laufen gehalten. Das dreijährige Forschungsprojekt geht auf einen Beschluß des Ex–Ministers Joschka Fischer zurück. Die Umweltpolitik müsse sich auch nach ihrer „Wirtschaftsverträglichkeit“ fragen lassen, hatte am selben Morgen Bundesumweltminister Klaus Töpfer auf einer Fachtagung der CDU–nahen Konrad–Adenauer–Stiftung (Eintritspreis 260 Mark) gefordert. Schwer verträglich ist Bonner Politik zumindest für die stiefmütterlich behandelten erneuerbaren Energien, die dringend Entwicklungshilfe brauchen. Fast alle der in Hannover gezeigten Projekte wären ohne die meist spärlichen Zuschüsse nicht denkbar gewesen. „Wir produzieren saubere Energie“, betont der Ingenieur Horst Frees von der „Windkraftzentrale“ aus Brodersby in Schleswig–Holstein. Er will fünf Pfennig „Emissionsvermeidungsprämie“ pro Kilowattstunde. Dabei sei die Windkraft schon jetzt rentabel, etwa für Bauernhöfe und Betriebe in Küstennähe. Und das Land Niedersachsen zahle 30 Prozent Zuschuß für jede Anlage. Klaus Helmut Rattay und ich legen eine kurze Kaffeepause ein. Der 51jährige erzählt, früher habe er Meßgeräte entwickelt, Computer verkauft und ein Jahr beim Uni– Institut für Kerntechnik gejobbt: „Ich bin ein Kind der Technik.“ Seit 1977 hält er nichts mehr von Atomkraft, macht zuweilen Ein– Mann–Demos dagegen, die er etwa in der U–Bahn oder auf Flohmärkten mit seiner Klarinette ohrenbetäubend begleitet. Wir gehen nach draußen. Hinter Halle 12 reckt sich ein Gerüst 42 Meter in die Höhe, belegt mit blau marmorierten Platten: die neuentwickelte Solartankstelle. An ihr tanken Elektromobile auf, die die Messegäste über das Gelände kutschieren. Der bewölkte Himmel über Hannover gibt im Augenblick nur 200 Watt ab, bei senkrechter Sonneneinstrahlung sind es bis zu 15 Kilowatt. Nach Messeschluß soll die Anlage nicht verwaisen, erklärt Projektleiter Alfred Reinicke von der AEG, sondern in Zusammenarbeit mit den hannoverschen Stadtwerken Strom ins Netz einspeisen. 820.000 Mark steuerten Bundesforschungsministerium und das Land Niedersachsen bei, insgesamt 1,2 Millionen kostete die Anlage. Auf den Nordseeinseln, in Kurorten oder Vergnügungsparks sei sie schon prima einzusetzen, findet Reinicke. Die Fotovoltaik - aus Sonnenstrahlen Strom erzeugen - hat nach Auskunft von Kleinbetrieben die bessere Lobby, weil sie von den Großunternehmen gefördert wird. Dabei sei es sinnvoller, Sonnenkraft zur Warmwasseraufbereitung zu nutzen, meint Bernd Kellner, Geschäftsführer der Regensburger „Großthermosolar“. Der Handel mit den Sonnenkollektoren floriert bereits. Kellner: „Wir verkaufen dieses Jahr zehnmal mehr als früher.“ Der leise Trend zur Sonnenkraft treibt auch kuriose Blüten: die Schirmmütze mit eingebautem Solarradio oder den per Sonnenlicht gesteuerten Plastikzeppelin. Dampf macht der Berliner Kleinbetrieb ATP mit Sonnenkraft: Herzstück der Solaranlage, die gerade auf der Sinai–Halbinsel aufgebaut wurde und für südliche Gebiete geplant ist: ein Dampfflügelzellenmotor. Auf vier bis zehn Kilowatt Strom und Prozeßwärme bringt er es und ist kurz vor der Serienreife. „Die moderne Dampfmaschine ist da“, freut sich Klaus Helmut Rattay. Wenig Interessantes gibt es im Bereich der Blockheizkraftwerke und Wärmepumpen auf der Hannovermesse 88 zu sehen. Fazit: Zur Nutzung von Sonnen– und Windenergie gibt es einiges an vielversprechenden Neuheiten. Doch der von Umweltminister Töpfer gepriesene „innovative Boom“ ist noch nicht in Sicht. Seit 1983 dürstet die Förderung von Sonnenkraft–Projekten, beschwert sich AEG–Ingenieur Reinicke. Die Solar–Experten sind sich einig, daß diese Techniken nur dann kommerziell erfolgreich sein werden, wenn die Förderung durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie deutlich erhöht wird. Optimistisch ist da niemand.