Aufmarsch der Krieger

■ Saudi–Arabien bricht die Beziehungen zum Iran ab

Wie groß ist die Angst des Priesters vor der verzückten Inbrunst der Gläubigen? Als Wächter und zugleich Herren über die heiligen Stätten des Islam in Mekka mögen die saudischen Monarchen schon manches Mal den heiligen Zorn der Pilger gefürchtet haben. Nicht erst die blutigen Unruhen der vorjährigen „Hajj“, der Pilgerfahrt zur Kaaba, lösten eine politische Krise im Ölstaat aus. Wahhabitische Oppositionelle haben mehr als einmal die Große Moschee in der allzu naiven Annahme gestürmt, hier auch die Grundfeste der politischen Macht im Ölstaat zu finden. Die Kartätschen der Beduinentruppen haben sie immer blutig vom Gegenteil überzeugt. Seit einigen Wochen nun schwelte ein „Quotenkrieg“ zwischen den beiden Regierungen, der nicht Fässer, sondern Seelen meinte. Wer darf wieviel Seelen ins Heil schicken? Die Herren in Teheran, die schon so viele Tausende ins nachweltliche Heil befördert haben, zeigten sich entschlossen, die Quoten zu ignorieren und den Verbündeten des Kriegsgegners Irak in Mekka zu demonstrieren, was schiitische Inbrunst vermag. Nun hat Riad den Strom iranischer Pilger gestoppt. Aus Rücksicht auf Millionen, die nur beten, nicht politisieren wollen. Den Mullahs und den Scheichs ist das Seelenheil ganz und gar gleichgültig. Es handelt sich um die Eröffnung einer neuen Front. Riad stellt sich noch deutlicher gegen Iran und auch an die Seite der USA. Einen Tag vor dem Abbruch der Beziehungen zum Iran hatte das saudische Königshaus den Atomwaffensperrvertrag unterschrieben. Damit erkaufte sich Riad die Zustimmung des US–Kongresses zu weiteren Waffenlieferungen, besonders aber die Komplettierung des AWACS– Kriegslenkungsinstruments. Thomas Reuter