Volkszählungsgegnerin droht Knast

■ Staatsanwaltschaft Kempten ordnet Erzwingungshaft für eine Volkszählungsgegnerin an / Gemeinde verhängte Zwangssgeld / Das Bußgeld sollte die Frau abarbeiten / Grüne Bayern: Gipfel der Repression

München (taz) - Wenn es nach dem Willen der Kemptener Staatsanwaltschaft geht, soll die 21jährige Brigitte Ackermann aus Nonnenberg bei Lindau für sechs Tage in den Knast wandern. Grund: Das Mitglied der Grünen verweigerte aus Gewissensgründen die Angaben zur Volkszählung. Von der Gemeinde wurde zunächst ein Zwangsgeld von 200 Mark verhängt. Im vergangenen Herbst verurteilte sie das Amtsgericht Lindau zu einem Bußgeld von 300 Mark plus 80 Mark für Gerichtskosten. Nachdem sie aus finanziellen Gründen - sie ist seit einigen Monaten arbeitslos - nicht bezahlen konnte, ordnete das Gericht eine Arbeitsauflage an. Nachdem die junge Frau auch diese Zwangsarbeit verweigerte, griff jetzt die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Kempten durch. In einem Schreiben des Amtsgericht Lindau teilte ihr der dortige Direktor Schödel lapidar mit, daß in dem „Bußgeldverfahren gegen sie wegen Zuwiderhandlung gegen das Gesetz über die Statistik für Bundeszwecke“ die Staatsanwaltschaft Kempten sechs Tage Erzwingungshaft beantragt habe. Diese Androhung ist bisher einmalig in der Bundesrepublik Deutschland. Damit ist nach Ansicht der Bayerischen Grünen der „Gipfel der Repression in Bayern“ erreicht. „Mit dieser völlig unverhältnismäßigen Überreaktion soll nicht mehr der eigentliche Zweck, die Kompletierung der Volkszählung, sondern der Kniefall vor dem Staat erzwungen werden“, erklärte der grüne Pressesprecher Peter Buschheuer. Und auch die Betroffene glaubt: „Es geht hier nicht mehr um den ausgefüllten Volkszählungsbogen, sondern um meine Einsicht“. Die Einspruchsfrist gegen diese Zwangsmaßnahme läuft am vierten Mai ab. Bis dahin muß Brigitte Ackermann durch ihren Rechtsanwalt wirksame Rechtsmittel eingelegt haben, um ihrer drohenden Inhaftierung zu entgehen. lui