Küchenschaben und Haustyrann

■ Bochumer Studentenheim mit besonderer Wohnqualität / Ungeziefer aller Art, kaputtes Mobiliar und defekte Haushaltsgeräte / Hausmeisterservice: Ausländerfeindlichkeit und Zimmerkontrollen

Bochum (taz) - „Das glaubt doch keiner, wie das Studentenleben im Wohnheim aussieht!“ empört sich York Kosthorst, Student des Bau– und Maschinenwesens an der Uni Bochum. Seit vier Jahren wohnt er „Auf der Papenburg“, einem Wohnheim für 200 StudentInnen im Bochumer Unighetto. Er zahlt monatlich 156 Mark Miete, inklusive Heizung, Küchen– und Badbenutzung. „Aber das ist noch nicht alles“, berichtet York, „für den Preis wird hier echt was geboten: Ungeziefer in allen Ecken und Winkeln, besonders in Küche und Bad. Defekte Haushaltsgeräte und willkürlich abgesperrte Freizeiträume. Zimmerkontrollen, Verletzung des Postgeheimnisses und Ausländerfeindlichkeit.“ Verantwortlich für diesen vielfältigen Sonderservice ist seiner Ansicht nach der Hausmeister des Wohnheims: „Ohne Herrn Rahlfs geht hier gar nichts. Selbst wenn man im Foyer telefoniert, quatscht er einem noch in die Gespräche rein.“ York reichts, und nicht nur ihm. Zusammen mit 20 seiner MitbewohnerInnen legte er vor kurzem dem Leiter des Akademischen Förderungswerks Bo chum die Beschwerden über die Zustände im Wohnheim schriftlich vor. Der reagierte prompt, „wohl weil ihm die Presse jetzt auf die Finger guckt, denn bei früheren Beschwerden ist nix passiert“, meint ein Kommilitone Yorks. Jetzt ließ er den Fernsehraum, der fast zwei Jahre geschlossen war, wieder öffnen und einen Teil des defekten Mobiliars reparieren. Auch einer der Küchentische, den der Hausmeister „zur Bestrafung, weil hier alles so dreckig ist“, entfernt hatte, wurde den StudentInnen wieder zur Verfügung gestellt. Das Ungeziefer in der Papenburg allerdings mehrt sich fröhlich und gedeiht. Staubläuse krabbeln munter die Badezimmerwände auf und ab. Maden leben gut und reichlich in den Lebensmittelschränken. Und kürzlich fand Maki, ein kurdischer Student der Germanistik, sein Zimmer „voller Schmetterlinge“. Was er für „Zeichen des schönen Frühlings“ hielt, stellte sich als lebensmittelfressende Kakaomotten heraus. „Da werden wir selbstverständlich auch noch Abhilfe schaffen und einen Kammerjäger reinschicken“, versicherte der Leiter des Akademischen Förderungswerks der taz gegenüber. Den Mißtand, daß die Putzfrauen des Wohnheims bei ihrer täglichen Arbeit unter enormem Zeitdruck stehen und deshalb nur flüchtig reinigen können, wollte er aber nicht anerkennen. Auch gegen die Schikanen des Hausmeisters will er nichts unternehmen. Die Klagen der StudentInnen über Herrn Rahlfs führt er auf „Privatfehden“ zurück. Der Hausmeister selbst verwehrt sich gegen jegliche Anschuldigungen: „Mir kann man wirklich nichts zur Last legen.“ Auf den Vorwurf ausländischer StudentInnen, er spräche sie „vorzugsweise“ mit „Kümmeltürke“ oder „Kameltreiber“ an, reagiert er großzügig: „Die können mich dann ja auch jederzeit Kartoffelfresser nennen.“ Was die Verletzung des Postgeheimnisses betrifft, ist Rahlfs auch nicht kleinlich. Nach Auskunft einiger StudentInnen soll er bei seiner allmorgendlichen Postverteilung die Absender lesen und dann im Wohnheim herumerzählen, wer zum Beispiel vom Sozialamt Briefe bekommt und demnach Sozialhilfeempfänger ist. „Ich habe mal zu einem was gesagt, als er Post vom Finanzamt bekam“, nimmt Rahlfs beschwichtigend Stellung. Und anschließend beeilt er sich, der Frage, wie er es denn mit der Privatsphäre der BewohnerInnen halte, zuvorzukommen: „Übrigens, ich betrete nie die Zimmer von Studenten, wenn sie mich nicht ausdrücklich dazu auffordern!“ „Der klopft an, öffnet danach umgehend die Tür und sagt dann, er hätte ein Herein gehört. Durch diese Tour ist er immer über alles informiert, was hier abläuft, und er erzählt das auch überall rum“, beschreibt York die Zimmerkontrollen des Hausmeisters. Die StudentInnen sehen wenig Möglichkeit, sich wirksam gegen ihn zur Wehr zu setzen. Denn die Stimmung in der Papenburg ist ihrer Meinung nach geprägt von „Angst und Mißtrauen“. „Wer was gegen den Hausmeister sagt, muß mit noch mehr Schikane rechnen. Dann schickt er einem BesucherInnen gleich an der Pforte weg und repariert und arbeitet nur noch auf Etagen, wo die Leute kuschen. Anne Weber