Bald 35 Atommächte

■ Ehemaliger Vize–Generaldirektor der IAEO erneut vor Bonner Untersuchungsauschuß / Südafrika soll mit Uran–Embargo gedroht werden / Westdeutsche Firmen haben Südafrika bei Urananreicherung geholfen

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Rund 35 Länder der Welt sind in der Lage, in den kommenden Jahren eine eigene Atombombe zu bauen. Diese Einschätzung vertrat der ehemalige Vize–Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), David Fischer, gestern vor dem Bonner Atom–Untersuchungsausschuß. Zu diesen Ländern gehören laut Fischer Industrienationen wie Japan und „die Bundesrepublik, die sechs als atomare Schwellenländer“ bekannten Staaten Indien, Pakistan, Argentinien, Brasilien, Südafrika und Israel, sowie Südkorea und Taiwan. Nicht technische Barrieren, sondern nur politische Beschränkungen könnten verhindern, daß diese Länder zu Atommächten werden. Gegenüber Südafrika plädierte der ehemalige IAEO–Mann dafür, mit einem Uran–Embargo zu drohen, wenn der Apartheid–Staat nicht dem Atomwaffensperrvertrag beitrete. Südafrika hat nach CIA–Erkenntnissen bereits 1979 eine Atombombe getestet. David Fischer betonte bei seinem zweiten Auftritt vor dem Untersuchungsausschuß wiederum, wie sehr westdeutsche Firmen, unter anderem die STEAG, Südafrika in den 60er Jahren bei seinem Uran–Anreicherungsverfahren geholfen haben. Heute seien die Bundesrepublik, Frankreich und Spanien die einzigen Länder, die dem südafrikanischen Uran– Export–Markt geblieben seien. Westeuropa habe es „in der Hand“, Südafrika an dieser „verwundbaren Stelle“ zu treffen. Da das Botha–Regime nicht von außen, sondern von innen bedroht sei, habe Südafrika an der Atombombe kein strategisches, sondern ein politisches Interesse und spiele diese Karte international aus. Der Gouverneursrat der IAEO wird sich nach Fischers Darstellung im Juni mit Südafrika befassen. Der westdeutsche Direktor der Euratom in Luxemburg, Wilhelm Gmelin, überraschte den Ausschuß gestern mit der nach einigem Zögern preisgegebenen Information, innerhalb der Euratom sei es bisher dreimal entdeckt worden, daß Spaltstoffe abgezweigt wurde. Nähere Angaben dazu verweigerte Gmelin mit der Begründung, daß er dafür keine Aussagegenehmigung habe. Vermutlich handelt es sich bei einem dieser Fälle um die Schiffsladung von 200 Tonnen Natururan, die 1968 via Antwerpen schließlich in Israel landete. Rund 40 Prozent des in der Bundesrepublik verwandten Urans kommt aus Südafrika beziehungsweise Namibia.