Ankara: Polizeiterror an der Uni

■ Brutaler Polizeieinsatz an der Universität der türkischen Hauptstadt / Über 160 Verhaftete / Sechs Studenten gefoltert / 1.000 StudentInnen protestierten gegen sexuelle Belästigungen durch Zivilbullen

Von Ömer Erzeren

Mehrere Hundertschaften Polizei haben an der Universität Istanbul einem friedlichen sit–in von über 1.000 Studenten am Donnerstag ein gewaltsames Ende bereitet. Die Studenten protestierten vor dem Rektoratszimmer gegen die wenige Stunden zuvor erfolgte Verhaftung und Folterung von sechs Kommilitonen. Nach dem Polizeieinsatz bot sich Augenzeugen ein Bild des Schreckens: Schreiende und wimmernde Studenten mit zerschundenen Körpern wurden unter Prügel weggetragen. Über 160 Studenten wurden verhaftet. Ihnen soll vor dem Staatssicherheitsgericht, das für „Verbrechen gegen den Staat“ zuständig ist, der Prozeß gemacht werden. Der Konflikt entzündete sich, nachdem eine Studentin nach Passieren der polizeilichen Ausweiskontrollen an der Universität von einem Zivilpolizisten angepöbelt wurde: „Komm Süße, bald fällst du uns sowieso in die Hände. Dann werden wir uns alle auf dich legen.“ Sechs Kommilitonen beschwerten sich erfolglos bei dem Dekan. „Ihr seid alle jung. Macht euch nichts daraus“, erhielten sie zur Antwort. Nach der Beschwerde wurden dann sechs Studenten in der Universitätskantine von einem Trupp Polizisten zusammengeschlagen, verhaftet und auf die Polizeiwache gebracht. Als sich rund 1.000 StudentInnen in Fluren vor dem Rektoratszimmer mit den Verhafteten solidarisierten und Parolen wie „Polizisten raus, Wissenschaft rein“ riefen, oder „Schluß mit der Kollaboration der Universitätsleitung mit der Polizei“, stürmten mehrere Hundertschaften von Sondereinheiten der Polizei die Räume. Ohne Vorwarnung schlugen sie auf versammelte Menge ein. Polizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag durchkämmten am Nachmittag das Universi tätsgelände nach „Rädelsführern“. Im Zuge der polizeilichen Maßnahmen wurden auch Journalisten und Fotoreporter verprügelt und Hochschulpersonal von der Polizei weggedrängt. Der studentische Protest ist ist auf dem Hintergrund der erdrückenden Präsenz von uniformierter und ziviler Polizei an der Universität zu sehen, sowie dem von den Militärs nach dem Putsch 1980 verfügten Hochschulgesetz. Fortsetzung auf Seite 6