„Keine Stimme für Mitterrand“

■ Le Pen gibt seine Wahlempfehlung für die zweite Runde und fordert „die Macht in unserem Land“

Aus Paris Georg Blume

Jean–Marie Le Pen erhebt Anspruch auf die Macht in Frankreich. „Der nunmehr triumphale Marsch, den wir unternommen haben, wird uns zur Verantwortung für die Macht in unserem Land führen. Unser nationales Schicksal hat eine Wende genommen, die nicht mehr rückgängig zu machen ist.“ Der Führer der französischen Rechtsradikalen sprach gestern nachmittag vor zehntausend Anhängern im Pariser Königspark der Tuillerien. In der mit Spannung erwarteten Rede gab Le Pen seine Wahlempfehlung für den zweiten Wahlgang am 8. Mai. „Keine Stimme für Franois Mitterrand“, forderte Le Pen und sprach seine Partei damit von jeder Verantwortung für die erwartete Wahlniederlage von Chirac frei. Gleichzeitig vermied er es, direkt zur Wahl des Rechtskandidaten aufzurufen. Noch am Wochenende hatte der französische Innenminister, der Chirac–Vertraute Charles Pasqua, einen spektakulären Schritt in Richtung Le Pen gemacht. In einem Interview sagte Pasqua: „Sicherlich gibt es bei der Front National einige Extremisten, aber im wesentlichen bekennt sich die Front National zu den gleichen Sorgen, zu den gleichen Werten wie die bürgerliche Mehrheit.“ Bereits am Sonntagvormittag hatten 20.000 rechtsradikale Demonstranten der 1.–Mai–Feier ihren Stempel aufgedrückt. Erstmals seit der deutschen Besatzungszeit standen in Frankreich die Rechtsradikalen am „Tag der Arbeit“ im Mittelpunkt. Fortsetzung Seite 6