Vorsichtiger Dialog: DGB und DDR–Opposition

■ Nach einem gescheiterten Diskussionsversuch in Ost–Berlin trafen sich Jugendfunktionäre des DGB und ausgewiesene DDR–Oppositionelle / Wo ist die Grenze der Belastbarkeit des Dialogs? / Abrüstungsverhandlungen contra Menschenrechte?

Oberursel (taz) -Was in Ost– Berlin nicht zustandegekommen ist, wurde am letzten Wochenende in der Bundesjugendschule des DGB in Oberursel nachgeholt: ein Treffen zwischen Jugendfunktionären des DGB und Angehörigen der unabhängigen Friedens– und Umweltbewegung in der DDR. Möglich gemacht hat dies die Rausschmißpolitik des DDR– Staates. Sie hat dafür gesorgt, daß Ralph Hirsch, Rüdiger Rosenthal und Wolfgang Templin inzwischen in der Bundesrepublik leben. Den ersten Versuch einer Kontaktaufnahme zwischen DDR–Dissidenten und DGB–Jugendfunktionären hatten die DDR–Behörden durch ein Reiseverbot zum Scheitern gebracht: die westdeutsche Delegation durfte nicht nach Ost–Berlin zur „Umwelt–Bilbiothek“ fahren und brach daraufhin ihren DDR–Besuch vorzeitig ab. Intern hatte es unter den DGB–Jugendfunktionären an dieser demonstrativen Geste heftige Kritik gegeben. Daß die Gegensätze innerhalb der DGB–Jugend über den richtigen Umgang mit der DDR–Opposition nicht ausgeräumt sind, wurde auch auf der Oberurseler Veranstaltung deutlich: Die Bundesjugendsekretäre der Einzelgewerkschaften und die Landesjugendsekretäre des DGB waren der Einladung nicht gefolgt. Ob dies mit der DKP–Neigung einiger dieser Jungfunktionäre zu tun hat, ist schwer auszumachen. Die Abneigung gegen die DDR– Dissidenten aus der DKP–Ecke verträgt sich harmonisch mit der zurückhaltenden Entspannungspolitik der SPD, die Karsten Voigt auf dem Seminar in Oberursel gegen viele kritische Zwischenfragen verteidigte. Abrüstungsverhandlungen können nicht von der Verwirklichung der Menschenrechte in der DDR und anderswo abhängig gemacht werden. Man braucht dafür einen Konsens mit den Regierenden, der durch allzu deutliche Parteinahme für die Opposition gefährdet werden könnte. Eine „Grenze der Belastbarkeit“ des mit der SED definierten Konsens wollte Voigt nicht öffentlich diskutieren. Die Aufforderung der DDR–Gäste an SPD und DGB–Jugend, stabile Arbeitskontakte mit der DDR–Opposition zu entwickeln, wurde eher mit Vorsicht aufgenommen. Wie es nun weitergehen soll im Verhältnis zwischen DGB–Jugend und DDR–Opposition, konnte auf dem Seminar nicht geklärt werden. Es wurde die Befürchtung geäußert, SPD und DGB könnten die kommende gesellschaftliche Emanzipationsbewegung der DDR verschlafen. Ob sie damit etwas zu tun haben wollen, müssen die DGB–Jugendfunktionäre zunächst einmal untereinander klären. In Oberursel einigte man sich vorerst auf einen weiteren Informationsaustausch. Der scheint vor allem dringlich, wenn die ersten Anhänger der DDR–Friedensbewegung, die sich offiziell lediglich zu Studienaufenthalten in der Bundesrepublik aufhalten, im Sommer in die DDR zurückwollen. Das Haus der Gewerkschaftsjugend (6370 Oberursel, Königsteiner Str.29) will das Protokoll der Veranstaltung veröffentlichen. maja/marke