Bewußter Rechtsbruch für Buschhaus

■ Hausinternes Rechtsgutachten warnte die niedersächsische Landesregierung vor rechtswidrigem Verhalten / Albrecht powerte auf Druck der Betreiber Gift–Bonus durch

Aus Hannover Jürgen Voges

Die niedersächsische Landesregierung verstößt in Sachen Buschhaus vorsätzlich gegen geltende Rechtsvorschriften. Die sogenannte „Duldung“, mit der Niedersachsens Umweltminister Remmers vergangene Woche dem Buschhaus– Betreiber BKB einen höheren als den genehmigten Schadsstoffausstoß erlaubt hat, halten auch die maßgeblichen Juristen im Ministerium in Hannover für rechtswidrig. In einer der taz vorliegenden internen Stellungnahme des zuständigen Rechtsreferats im Umweltministerium heißt es, daß die Duldung eines höheren Schadtstoffaustoßes „die Umgehung eines Genehmigungserfordernisses in rechtswidrig verabredeter Form“ sei. Die Hausjuristen von Remmers halten das Verhalten ihres Ministers auch für strafrechtlich relevant. Ein Dulden, so schreibt der Leiter des Rechtsreferats Klaus–Dieter Becherer im trockenen Juristen–Deutsch, „würde in die Nähe der Teilnahme an einem dem §327StGB zuzuordneden Delikt gelangen“. Dieser Paragraph des Strafgesetzbuches sieht für „Unerlaubtes Betreiben von Anlagen“ eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Nach den vorliegenden internen Vermerken hat Umweltminister Remmers die Juristen seines Hauses zu dieser rechtlichen Bewertung aufgefordert, nachdem am 15.März dieses Jahres der BKB–Vorstand zusammen mit seinem Aufsichtsratsvorsitzenden Herrmann Krämer von der Preussen Elektra vorstellig geworden war. Die BKB–Spitzen verlangten von Remmers, die Schadstoffobergrenze von 35.000 Tonnen im laufenden Betriebsjahr gleich um 10.000 Tonnen überschreiten zu dürfen, und begründeten dies mit den hohen finanziellen Verlusten der BKB– Kraftwerke. Für 1988 erwarteten die BKB–Spitzen ein Minus von 73 Millionen Mark. „Eine Minderung des erwarteten Verlustes um rund 25 Millionen in 1988“, so heißt es in einem internen Vermerk über das Gespräch, würde sich jedoch ergeben, wenn die nicht entgifteten Nachbar– Kraftwerke von Buschhaus, Fortsetzung Seite 2 Offleben A und B, nicht mehr mit schwefelarmen Heizöl, sondern wieder „in voller Leistung mit Braunkohle“ betrieben würden. In ihrer Stellungnahme erklären die Juristen des Umweltministers klipp und klar, daß für die geforderte Erhöhung des Schadstoffaustoßes über die 35.000 Tonnen– Grenze „ein förmiliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig“ sei. Ein solches Verfahren sei aber aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich. Einen Ermessensspiel raum können die Juristen nicht entdecken. Ein vereinbartes, einvernehmliches Nichteingreifen des Umweltministers sei deswegen eine „rechtswidrige Umgehung eines Genehmigungserfordernisses.“ Daß der Umweltminister trotz dieser eindeutigen Rechtsposition, der BKB die sogenannte „Duldung“ der Grenzwertüberschreitung zusicherte, geht auf Druck von Ministerpräsident Ernst Albrecht persönlich zurück. Der BKB–Aufsichtsrats– und der BKB–Betriebsratsvorsitzende waren persönlich bei Ernst Albrecht vorstellig geworden, der kurz darauf Remmers und seinen Staatssekretär zu sich zitierte. Albrechts Staatskanzlei gab dann sogar den Text des Erlasses vor, mit dem Remmers das Gewerbeaufsichtsamt in Braunschweig anwies, die Überschreitung der 35.000 Tonnen–Grenze zu dulden. Minister Remmers konnte in der Öffentlichkeit diese „Duldung“ nur noch mit hinkenden Vergleichen rechtfertigen. Auch im Straßenverkehr müsse man, wenn nur Tempo 100 erlaubt sei, in Gefahrensituationen manchmal 130 fahren, kalauerte er öffentlich. Das Umweltministerium bestätigte gestern die Authentizität der uns vorliegenden Papiere. Man werde zu solchen internen Vermerken aber nicht Stellung nehmen.