Abgeschobene Türkin kehrt illegal zurück

■ Bürgerkomitee unterstützt in BRD zurückgekehrte Türkin / Breites Bündnis will eine zweite Abschiebung verhindern / Ausländerpolitik im Ex– und Hopp–Verfahren: Wer nicht mehr arbeiten kann, fliegt raus / Tübinger Regierungspräsidium lehnt Widerspruch ab

Aus Tübingen Mathias Richter

Die 1986 von der Ausländerbehörde ausgewiesene Sahabat Kocabasoglu befindet sich wieder in der Bundesrepublik. Mit einer Pe tition im Stuttgarter Landtag hatte die 62jährige Türkin versucht, in die Bundesrepublik zurückzukehren. Nachdem der Petitionsausschuß vor zwei Wochen dem Landtag eine Ablehnung empfoh len hatte, war sie illegal eingereist und befindet sich nun an einem sicheren Ort in der Nähe von Tübingen. Im Morgengrauen des 22.Mai 1986 waren Sahabat Kocabasoglu und ihr Sohn Özan (24) von Polizeibeamten aus dem Schlaf gerissen und mit in Windeseile ausgestellten Fremdenpässen ins nächste Flugzeug nach Istanbul verfrachtet worden. Selbst die notwendigsten Dinge, wie Medikamente und Ausweispapiere, mußte die Türkin damals zurücklassen. Ihren Anwalt durfte sie nicht benachrichtigen. Innerhalb kürzester Zeit haben sich jetzt zahlreiche Organisationen und Privatpersonen bereiterklärt, Frau Kocabasoglu zu unterstützen. „Wir werden tun, was in unseren Kräften steht, um sie gegen eine neuerliche Abschiebung zu schützen“, verkündete gestern ein neu gegründetes „Bürgerkomitee“. Unterstützt wird das Komitee bisher von den Grünen, der IG Metall Reutlingen, dem Tübinger SPD–Landtagsabgeordneten Gerd Weimer und zahlreichen weiteren Privatpersonen. Darunter sind Prominente wie Hellmut Gollwitzer, Karola Bloch, Norbert Greinacher, Jürgen Moltmann, Walter Jens und Andreas Flittner. In einer Erklärung fordern die Unterzeichner den baden– württembergischen Landtag auf, „Frau Kocabasoglu sicher und unbehelligt hier leben“ zu lassen. Die Stadt Tübingen soll mindestens bis zu dieser Entscheidung, die voraussichtlich noch vor der Sommerpause fallen wird, erklären, daß sie Frau Kocabasoglu hier duldet. Das Tübinger Aktionskomitee gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit begrüßte gestern ausdrücklich „den mutigen Schritt“ der Türkin. In einem am Wochenende gedrehten Video richtet sich Frau Kocabasoglu an die Öffentlichkeit und die politisch Verantwortlichen: „In der Türkei bin ich verloren. Alles, was ich will, ist hier, in meiner zweiten Heimat, meinen Lebensabend verbringen.“ Bereits 1965 war die Witwe, abgeworben von einem Schokoladenkonzern, mit ihren fünf Kindern in die Bundesrepublik gekommen und hatte bis zur Arbeitsunfähigkeit durch einen Unfall im Jahre 1984 regelmäßig gearbeitet. Nach mehreren Operationen sollte sie im Laufe des Jahres 86 in Rente gehen. Dem waren die Rottenburger Beamten mit ihrer Aktion zuvorgekommen. Während Frau Kocabasoglu fast mittellos und ohne ärztliche Betreuung in Istanbul saß, organisierten sich im Kreis Tübingen zahlreiche empörte Bürger und versuchten eine Revision der Entscheidung zu bewirken. Um eine möglichst schnelle Rückkehr zu ermöglichen, waren in kürzester Zeit eine Unterkunft gefunden und die geforderte finanzielle Eigenständigkeit bis zur Rente gewährleistet worden. Damit waren die Ausweisungsgründe hinfällig. Trotzdem wurden Widersprüche beim Tübinger Regierungspräsidium wie beim baden–württembergischen Innenministerium abgelehnt. Die einzige Chance, die Angelegenheit doch noch auf rechtlichem Wege zum Guten zu wenden, liegt beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Hier läuft noch eine Klage wegen der abgelehnten Widersprüche. Doch darauf will sich heute niemand mehr verlassen. „Alle legalen Mittel wurden ausprobiert“, betonte die grüne Landtagsabgeordnete Christine Muscheler–Frohne vorige Woche auf einer Kundgebung.