50 Jahre Wolfsburg und kein Grund zum Feiern

■ Im Rat der Stadt entwickelt sich ein heftiger Streit um das VW–Idol Ferdinand Porsche / Grüne und die DKP belegen, daß in der VW–Stadt ein Nazi verherrlicht wird / Der Oberbürgermeister ist jedoch strikt dagegen, die „Porsche–Realschule“ umzubenennen

Aus Hannover Jürgen Voges

Es sei ja unbestritten, daß Ferdinand Porsche für die nationalsozialistische Rüstung gearbeitet habe. „Aber ohne seine Erfindung, den Volkswagen, würde heute eben weder das VW–Werk noch die Stadt Wolfsburg existieren.“ Deswegen ist der Wolfsburger CDU–Oberbürgermeister Werner Schlinne auch „strikt“ gegen den Antrag der Grünen im Stadtrat, die „Porsche–Realschule“ umzubenennen. Ende dieses Monats feiern das VW–Werk und die Stadt Wolfsburg ihr 50jähriges Bestehen. Am Himmelfahrtstag, dem 26.Mai 1938, legte Adolf Hitler den Grundstein für das Werk, das „das größte Kraftwagenwerk der Erde“ werden sollte. Zugleich mit dem Volkswagenwerk, das aus strategischen Gründen im „Herzen des deutschen Reiches“ liegen sollte, wurde in dem dünn besiedelten Gebiet um Fallersleben auch die dazugehörige Stadt auf dem Reißbrett entworfen. Durch Erlaß des Oberpräsidenten der Provinz Hannover wurde das heutige Wolfsburg dann am 1.7.38 als „Stadt des KdF–Wagens bei Fallersleben“ formell gegründet. Autogerecht, weit auseinandergezogen mit viel Grün dazwischen, das VW–Werk von der Stadtmitte nur durch den Mittellandkanal getrennt, so ist Wolfsburg noch heute. Und Porsche begegnet man auf Schritt und Tritt. Vor dem Rathaus steht eine Porsche–Büste, es gibt das „Porsche Stadion“, die „Ferdinand–Porsche–Realschule“ und natürlich führt durch die Innenstadt eine breite „Porsche–Straße“, an der zwischen 1941 und 1945 das „Ostlager“ lag. Über zwei Drittel aller im Volkswagenwerk während des zweiten Weltkriegs „Beschäftig ten“ waren Zwangsarbeiter aus Polen, der Sowjetunion, aus Italien, Frankreich, Belgien, Holland, waren deutsche „Wehrmachtstrafgefangene“ und auch Häftlinge der Wolfsburger Außenstelle des KZ–Neuengamme. Sie produzierten über 50.000 VW–Kübelwagen, Panzer– und Torpedoteile. Im VW–Werk sind vor 1945 gerade 1.100 zivile Fahrzeuge gebaut worden. „Auf dem sogenannten Ausländerfriedhof“, so sagt die Grüne Ratsfrau Betty Rannenberg, „hat sich dann seit etwa zehn Jahren immer am 8.Mai eine Gruppe von Leuten getroffen und der Opfer des Faschismus gedacht.“ Auf dem „Ausländerfriedhof“ sind 476 polnische und sowjetische Opfer der Zwangsarbeit begraben, darunter 140 Kinder. Auf einen Antrag der Grünen hin beauftragte der Wolfsburger Rat den Städtischen Archivar Klaus–Jörg Siegfried, eine Dokumentation über die Zwangsarbeit zu erstellen. Rund 5.000 polnische und sowjetische Zwangsarbeiter litten nach Siegfrieds Schätzung bei VW unter der „Kombination von Hunger und Schwerstarbeit“, der „Schwächung, Krankheit und Tod folgten“. Auch in der gestern zum 50jährigen Bestehen der Stadt Wolfsburg in der Bürgerhalle des Rathauses eröffneten Ausstellung ist das Schicksal der Zwangsarbeiter dokumentiert. Dennoch, auf Ferdinand Porsche, der bereits im Oktober 1941 als einer der ersten Wirtschaftsführer persönlich sowjetische Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter anforderte, wollen die Wolfsburger Stadtoberen nichts kommen lassen. Porsche sei verantwortlich gewesen für das Leiden der Zwangsarbeiter und KZ–Häftlinge, schreiben die Grünen in ihrem Antrag auf „Umbennenung aller nach Ferdinand Porsche benannten Straßen, Gebäude und Plätze“, der heute im Rat der Stadt behandelt wird. Doch nach Meinung der CDU–Ratsältesten Maria Kern haben die Wolfsburger schon genug „die Reuedeutschen gespielt“. Es müsse nun mal endlich eine Anerkennung der Pionierleistung der Altwolfsburger ausgesprochen werden, schrieb die Ratsfrau in einem empörten Leserbrief an die lokalen Wolfsburger Nachrichten. Doch die Grünen haben inzwischen Schützenhilfe von einigen DKP–Mitgliedern bekommen, die als „Amateurhistoriker“ das Staatsarchiv der DDR nach Dokumenten über Porsche durchforstet haben. Sie konnten belegen, daß Porsche 1942 bei Hitler persönlich KZ–Häftlinge zum Bau der VW–Gießerei anforderte. Daß er Vorsitzender der kurz vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion eingerichteten „Panzerkommission“ war, die noch bis kurz vor Kriegsende die Produktion von Hitlers „Wunderwaffe V1“ organisierte. Schon in seinem „Expose für den Volkswagen“ aus dem Jahre 1934 schrieb Porsche, daß das Auto „auch für bestimmte militärische Zwecke geeignet“ sei. Dem Bochumer Historiker Hans Mommsen, der im offiziellen Auftrag ein Forschungsprojekt zur VW–Geschichte leitet, gilt Porsche immer noch als „Technokrat, der sicherlich kein Kriegsverbrecher gewesen ist“. Die Grünen wollen sich auf diesen Streit nicht im Detail einlassen. Ihnen genügt, daß Porsche in den Dokumenten als SS– Oberführer geführt wird.