: Deutsche Soldaten nach Nicaragua?
■ Eine Anfrage der zentralamerikanischen Außenminister hat in Bonn eine Debatte ausgelöst / Von Bülow (SPD) will Soldaten schicken / Gansel (SPD) will die Verfassung ändern, und Wimmer (CDU) kommt ins Schwärmen
Von Thomas Schmid
Berlin (taz) - Sollen deutsche Soldaten einen künftigen Frieden in Mittelamerika überwachen? Die Frage mag absurd scheinen. Doch wird sie in Bonn bereits diskutiert. Der SPD–Abgeordnete und Ex–Minister Andreas von Bülow etwa kann sich - selbstredend als Privatmann und nicht im Namen der SPD - für die Idee durchaus erwärmen. „So könnten doch - sagen wir mal etwa drei - Bundeswehroffiziere nach Mittelamerika geschickt werden, um bei der Überwachung des Friedens zu helfen“, meinte er auf Nachfrage der taz, „natürlich unterhalb des militärischen Einsatzes, als Sachverständige, in Zivil und ohne Waffen“. Die brisante Frage war letzte Woche auch in einem Arbeitskreis der SPD–Fraktion debattiert worden. Auch der Abgeordnete Norbert Gansel kann sich die Entsendung deutscher Soldaten vorstellen, allerdings - wie er auf Nachfrage der taz ausdrücklich betonte, „nur wenn vorher das Grundgesetz abgeändert wird und den Einsatz der Bundeswehr - und zwar ausschließlich im Rah men der UN–Satzung oder der Satzung der peace–keeping–forces - zuläßt“. Verärgert reagierte am Montag der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Horst Ehmke auf die Äußerungen seiner Kollegen. Das Grundgesetz schließe den Einsatz von Bundeswehrangehörigen außerhalb des NATO–Bereichs aus, und damit basta. Doch wo nun schon mal die Debatte losgetreten war, mochte sich auch die CDU–Fraktion nicht zurückhalten. Ihr verteidigungspolitischer Sprecher, Willy Wimmer, befand zwar, Überlegungen, „die auf eine Beteiligung von Angehörigen der deutschen Bundeswehr in Mittelamerika hinauslaufen könnten“, seien sorgfältig zu prüfen, doch scheinen ihm „Vertreter lateinamerikanischer Streitkräfte aus Gründen regionaler Vertrautheit durchaus geeigneter zu sein“. Aber die aufgeworfene Perspektive bringt den CDUler ins Schwärmen, „macht sie doch deutlich, welches Ansehen die Bundeswehr und das demokratische Deutschland in der Welt haben“. Dann kann er sich nicht mehr halten: „Wer wird die fliegenden Verbände der Bundesluft waffe nicht in guter Erinnerung halten, wenn sie in gekonnter Weise im Einsatz gegen Hunger und Not glänzende Leistungen vollbrachten? Dies ist unser Bild, während beispielsweise Soldaten der Nationalen Volksarmee zur Schande deutscher Streitkräfte weltweit im Unterdrückungseinsatz tätig sein müssen.“ Solche Schande befürchtet man bei den Grünen wohl auch für die Bundeswehr. „Bundesdeutsche Politiker sind schon penetrant genug in Mittelamerika“, meint etwa Fraktionsmitarbeiter Ulf Baumgärtner, „es fehlte gerade noch, daß da auch noch die Bundeswehr auftritt.“ Hintergrund der Debatte ist übrigens ein - noch nicht förmlich ergangenes - Ersuchen der Außenminister Mittelamerikas, die im Februar Kanada, Spanien und eben die Bundesrepublik baten, sich für die Überwachung eines künftigen Friedens zu verwenden. Das Auswärtige Amt versicherte allerdings, daß keine derartigen Überlegungen angestellt werden. Mag sein. Die Anregung der Mittelamerikaner jedenfalls hat ein Stück bundesdeutsche Glasnost bewirkt.
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