„Wir sind über das Ergebnis deprimiert“

■ Theo Steegmann, 2.Vorsitzender des Rheinhausener Krupp–Betriebsrates und einer der wichtigsten Motoren des Arbeitskampfes, zum Ergebnis der Verhandlungen um die Hütte

taz:Ihr habt den Kampf um den Erhalt der Hütte heute beendet und das am Sonntag ausgehandelte Ergebnis akzeptiert. Steegmann: Wir haben das Ergebnis nicht akzeptiert, sondern zur Kenntnis genommen. Wir können kein Ergebnis akzeptieren, das die Stillegung der Hütte vorsieht. Wir haben uns dafür entschieden, den Kampf nicht fortzusetzen, weil wir in der Forsetzung keine Perspektive mehr sehen und nicht glauben, daß wir durch einen weiteren Kampf das Ergebnis wesentlich hätten verbessern können. Es gab einige, die sagten, dafür hat sich der fünfmonatige Kampf nicht gelohnt. Wir sind praktisch alle über dieses Ergebnis frustriert und deprimiert, und viele meinen heute, daß sich dafür der Kampf nicht gelohnt hat. Ich persönlich sehe das ein bißchen anders, denn in drei Jahren wird man über unseren Kampf sicherlich anders reden, als die meisten von uns heute empfinden. Im Rahmen der Verhandlungen ist deutlich geworden, daß Krupp–Stahl selber gar nicht mehr entscheidungsfähig ist, sondern die Entscheidung von den Banken diktiert bekommt. Das große Wort in den Verhandlungen hat der Vorstandsvorsitzende der Mannesmann AG geführt, und der hat nun einmal die Deutsche Bank und Thyssen hinter sich. Weiter ist klar geworden, daß es für die beteiligten Unternehmen um soviel Geld geht - im Gespräch sind 500 Mio. Mark, die Thyssen für die Übernahme der Walzwerkproduktion bezahlt, es werden 400 Mio von Mannesmann zur Bewältigung der Abschreibung gezahlt, und es wird eine hohe Stillegungsprämie für die 4 Mio Jahrestonnen geben, so daß selbst über einen unbefristeten Streik der Belegschaft dieses Konzept nicht zu kippen gewesen wäre. Ein Vertrauensmann von uns hat diese Einschätzung schon zu Beginn unseres Kampfes mit den Worten auf den Punkt gebracht, das Unternehmenskonzept sei nur zu kippen, wenn der politische Schaden größer wird als der von den Beteiligten erzielte wirtschaftliche Nutzen. Wir haben darauf unsere Strategie seit Dezember abgezielt, und irgendwann muß man halt das Ende feststellen. Wir haben diesen Kampf geschlossen aufgenommen und wollten ihn geschlossen beenden. Das ist uns zumindest gelungen. Wir brauchen auch diese Geschlossenheit bei den kommenden Auseinandersetzungen, sei es bei der Frage des Interessensausgleiches, sei es bei der Übernahme der Kollegen zur Huckinger Hütte. Ist der Kampf nicht an der mangelnden bundesweiten entschlossenen Unterstützung durch die IG–Metall gescheitert? Ich sehe das durchaus. Ich sehe, daß die IG– Metall mehrmals in den letzten Monaten die Chance gehabt hätte, diesen Konflikt um die Rheinhausener Hütte zu einem branchenweiten Konflikt um die Neuordnung der Stahlindustrie im Sinne der Arbeitnehmer und um die Vergesellschaftung der Stahlindustrie zu machen. Stichwort „solidarisches Schrumpfen“? Ja, es geht darum, die Lasten sozial und regional ausgewogen zu verteilen. Das hätte man aber nur über einen branchenweiten politischen Kampf erreichen können. Die Chancen sind nicht genutzt worden, und wir beklagen auch die mangelnde Unterstützung der SPD in NRW für unseren Kampf. Ich denke, die Stillegung der Rheinhausener Hütte ist weit im Vorfeld entschieden worden. Wir haben viele Freunde in unserem Kampf gewonnen, aber die entscheidenen Freunde haben wir von Anfang an nicht gehabt. Gehört zur letzten Kategorie auch Franz Steinkühler? Für mich ist das in der Organisation nie eine Personenfrage gewesen, sondern eine Frage der strategischen Entscheidung der gesamten IG–Metall. Da muß jetzt die Diskussion beginnen. Wenn die Organisation die möglicherweise auf uns zukommende Krise der Automobilindustrie so bewältigt wie die Stahlkrise, wird es bitter werden. Ihr habt durch eure letzten Aktionen in Düsseldorf Johannes Rau in eine Vermittlerrolle gezwungen, die er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr wollte. Wie bewertest du die Rolle von Rau? Rau hat von Anfang an deutlich gemacht, nur die Moderatorenrolle spielen zu wollen. Er ist ein politisches Risiko eingangen und mit einem blauen Auge aus der Geschichte rausgekommen. Mir ist in diesen Verhandlungen die Ohnmacht der Politik gegenüber dem Kapital deutlich geworden. Da hat sich die Politik ohnmächtig und auch nicht willens gezeigt, die offene Konfrontation zu suchen. Interview: Walter Jakobs