„Beerdigt wird Rheinhausen 1990“

■ Bis Ende 1990 soll das Krupp–Hüttenwerk nur noch mit einem Hochofen weiterarbeiten / Vereinbarungen gestern in Düsseldorf paraphiert / Belegschaft entscheidet nicht über Verhandlungsergebnis / Resignierte Rheinhausener fühlen sich „verkauft“

Aus Rheinhausen W.Jakobs

Nach 160 Tagen ist die Auseinandersetzung um das Krupp–Stahlwerk in Duisburg–Rheinhausen vorerst zu Ende gegangen: Betriebsräte und die Unternehmensleitungen von Krupp und Mannesmann haben gestern in Düsseldorf eine Vereinbarung paraphiert, nach der die Hütte bis mindestens Ende 1990 mit einem Hochofen weiterarbeiten soll. Die Belegschaft von Krupp– Rheinhausen hat nach einer mehrstündigen, äußerst erregt geführten Debatte dieses unter Moderation von Johannes Rau ausgehandelte „Ergebnis“ am Dienstag zähneknirschend zur Kenntnis genommen, aber nicht akzeptiert. Zur entscheidenen Abstimmung kam es am Dienstag nicht. Dennoch deuteten die Beifallsbekundungen in der von etwa 3.000 Belegschaftsmitgliedern besuchten Versammlung am Ende doch darauf hin, daß eine Mehrheit der Bitte von Karin–Benz Overhage, das Ergebnis „zu akzeptieren“, in den nun vereinbarten Abteilungsversammlungen mangels Alternative wohl doch folgen wird. Zu Beginn war Benz–Overhage, Vorstandsmitglied der IG Metall und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Krupp–Stahl AG, mit einem gellenden Pfeifkonzert bedacht worden. Nur mit Mühe brachte die Vorstandsfrau bei fast versagender Stimme ihre Rede zu Ende. Insbesondere dem IG–Metall–Vorstand und den Politikern wurde von vielen Rednern vorgehalten, durch mangelnde Unter stützung zur Niederlage im Kampf um die Hütte maßgeblich beigetragen zu haben. Mit der Akzeptanz des Verhandlungsergebnisses würde die Stillegung zur beschlossenen Sache. Der Betriebsratsvorsitzende Manfred Bruckschen hatte zu Beginn der Versammlung von dem für uns „alle enttäuschenden Ergebnis“ gesprochen, doch gegen die übermächtige „Stahlmafia“ sei nicht mehr drin gewesen. Auch Bruckschen wurde während seiner Rede von Pfiffen unterbrochen. Die Vermittlung von Johannes Rau sei, so der BR– Chef, der „letzte Trumpf“ gewesen, und „diese Chance mußten wir nutzen“. Während Manfred Bruckschen und Karin Benz– Overhage die Rolle Raus positiv Fortsetzung Seite 2 Tagesthema Seite 3 Kommentar Seite 4 über dieses Ergebnis enttäuscht und frustriert, hätte in der Weiterführung des Kampfes aber auch keine Perspektive mehr gesehen. Zu Redaktionsschluß war allerdings noch unklar, ob die Belegschaft diese Einschätzung des Betriebsrates teilt. Rund 3.000 der noch etwa 5.200 Beschäftigten des Stahlwerks fanden sich am Nachmittag in einer Sporthalle zur Betriebsversammlung ein. Diese Zusammenkunft endete gestern nachmittag ohne Entscheidung darüber, ob die das Verhandlungsergebnis akzeptiert wird. Die Entscheidung wurde in die Abteilungen zurückgegeben. Allgemein wurde jedoch erwartet, daß die Belegschaft mehrheitlich dem Ergebnis zustimmen wird. Unter den Versammlungsteilnehmern herrschte vor Beginn offenbar Resignation vor. Ein Stahlarbeiter drückte dies so aus: „Jetzt haben wir monatelang umsonst gekämpft.“ In ersten Reaktionen haben CDU/CSU und Grüne den Kompromiß zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung unterschiedlich bewertet. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag Matthias Wissmann begrüßte, daß es überhaupt zu einem Kompromiß gekommen sei. Die Grünen lehnten die Einigung zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat ab.