Stahlkocher in Rheinhausen wie gelähmt

■ Erste Diskussionen über Details / „Kumpels wollen in Ruhe reden“ / Rau: „zuversichtlich“, daß Belegschaft der Betriebsratsmehrheit „folgt“ / Pfarrer Kelp: ein bißchen Hoffnung wegen der 1.500 zugesagten Arbeitsplätze / Belegschaftsabstimmung steht noch aus

Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Auf der Rheinhausener Krupp– Hütte wurde in der Nacht zum Mittwoch „normal“ gearbeitet. Das Verhandlungsergebnis, auf das viele Stahlkocher am Dienstag mit Resignation und Verbitterung reagierten, hängt den Kruppianern wie Blei in den Kleidern. Einzelne Stahlkocher, auch kleine Grüppchen, gingen in der Nacht und am Mittwoch zum Betriebsratsgebäude um Details der Vereinbarung zu erfahren. „Die Kumpels wollen in Ruhe reden. Das müssen wir jetzt erst einmal alle verarbeiten“, hieß es beim Betriebsrat. Die am Dienstag auf der Belegschaftsversammlung beschlossenen Abteilungsversammlungen - dort soll die endgültige Abstimmung der Belegschaft erfolgen - sind noch nicht terminiert. Pfarrer Dieter Kelp, Vorsitzender des Bürgerkomitees, bewertete die Präsentation des Ergebnisses, erst Paraphierung bei Rau in Düsseldorf, dann Information der Belegschaft, als „miserabel“. Inhaltlich komme einerseits das schlüssige Überlebenskonzept des Betriebsrates nicht vor, andererseits gebe es angesichts der zugesagten 1.500 Dauerarbeitsplätze auch einen Hoffnungsschimmer. Kelp wörtlich: „Ich habe aber Angst, daß es bei der Willenserklärung bleibt. Die Hoffnung ist die Unterschrift von Rau, der es sich wahrscheinlich nicht leisten kann, wenn nicht einmal dieses Minima lergebnis durchgesetzt wird.“ In der Vereinbarung heißt es wörtlich: „Beide Unternehmen sagen zu, durch eigene Aktivitäten und die Bemühungen um Dritte am Standort Duisburg–Rheinhausen so viele Arbeitsplätze zu schaffen, daß die Zahl der verbleibenden und der neuen Arbeitsplätze ab Ende 1991 mindestens 1.500 beträgt.“ Obwohl die formale Abstimmung der Belegschaft noch aussteht, kann man davon ausgehen, daß die Stahlkocher am Ende mangels Alternativen zähneknirschend zustimmen werden. Helmut Laakmann, Obermeister im Stahlwerk und - obgleich ohne jede gewerkschaftliche Funktion - einer, der sich in diesem Kampf durch seine beeindruckenden Reden zu so etwas wie einer Leitfigur des Arbeitskampfes entwickelt hat, beschrieb die Situation am Ende der Betriebsversammlung am Dienstag so: „Wir mußten letzten Endes merken, daß Rheinhausen nicht gegen die Machtverhältnisse in dieser Republik gehalten werden kann, denn die sind ganz anders. Es war ein schwarzer Tag für uns alle, besonders auch für das, was man in diesem Land Gewerkschaft nennt. Da muß man jetzt endlich mal aufräumen, damit andere in Zukunft erfolgreicher Arbeitskämpfe führen können als wir.“ Das IG–Metall–Vorstandsmitglied Karin Benz–Overhage war während der Betriebsversammlung gnadenlos ausgepfiffen wor den. Sie, die insgesamt noch eine relativ konstruktive Rolle in Rheinhausen gespielt hatte, zog all den Groll auf sich, der eigentlich dem IG–Metall–Chef Franz Steinkühler galt. Die Frankfurter Vorstandsfrau brachte in der Versammlung ihre Rede nur mit Mühe zu Ende. Den Betriebsrat nahm Helmut Laakmann von seiner Kritik bewußt aus: „Wir haben vielen in dieser Republik etwas vorzuwerfen, uns gegenseitig aber überhaupt nichts.“ Wenn man bei einem Kampf nicht durchkomme, müsse man „das auch merken“. Und zum Schluß: „Es nutzt nichts, immer wieder mit dem Kopf vor die Wand zu laufen. Wir können es uns nicht erlauben, das Spiel Alles oder Nichts zu spielen.“ Ministerpräsident Johannes Rau gab zu dem Verhandlungsergebnis im Düsseldorfer Landtag am Mittwoch eine Regierungserklärung ab. Rau dankte dem Betriebsrat „für die konstruktive Mitarbeit und für seinen Mut in einer schwierigen Lage“. Rau gab sich „zuversichtlich, daß die Belegschaft der großen Mehrheit des Betriebsrates folgt. Ich versichere den Stahlarbeitern von Rheinhausen: Ich hätte nicht unterschrieben, wenn ich die Chance zu einer besseren Lösung gesehen hätte.“ Während die CDU im Landtag eine Dokumentation der überschwenglichen Solidaritätsadressen führender Sozialdemokraten in Rheinhausen verteilen ließ, wies CDU–Fraktionschef Bernhard Worms auf die „kalte Wut“ der Stahlkocher in Rheinhausen hin, mit der diese das Ergebnis aufgenommen hätten. Johannes Rau, so Bernhard Worms, hätte dieses Ergebnis „schon in sehr viel kürzerer Zeit haben können“. Genau so absurd wie Worms Angriff klingen die sozialdemokratischen Heldengesänge auf Johannes Rau, die am Mittwoch etwa der SPD–Abgeordnete Gerd Wendzinki anstimmte. Die CDU, deren sonst so vorlauter Landesvorsitzende Norbert Blüm in den letzten Wochen kein Wort mehr zu Rheinhausen verlauten ließ, befürchtet, daß Johannes Rau am Ende als Krisengewinnler aus dem Rheinhausener Kampf hervorgeht.