Nukem 1968 an Uranschmuggel beteiligt

■ Bislang geheimgehaltene amerikanische Regierungsdokumente enthüllen neue Details über die sogenannte „Plumbat–Affäre“ / Regierung Brandt war über Uranschmuggel nach Israel informiert / Nukem und „deutsche Schlüsselfiguren“ mit im Geschäft

Aus Brüssel Thomas Scheuer

Früher und detaillierter als bisher angenommen, waren Bonner Regierungsstellen und Brüsseler EG–Beamte über den bislang größten bekanntgewordenen Uran–Schmuggel informiert, bei dem 1968 200 Tonnen Natur–Uran auf nie ganz geklärten Umwegen nach Israel gelangten. Die Hanauer Atomfirma Nukem war danach kurze Zeit später an einer weiteren Verschiebeaktion von 232 Kilogramm Uran beteiligt, die allein auf Druck von EURATOM im letzten Augenblick vereitelt worden ist. Aus bislang geheimgehaltenen und jetzt freigegebenen US–Regierungsdokumenten geht außerdem hervor, daß „deutsche Schlüsselfiguren“ den internationalen Uranschmuggel einfädelten. Die Dokumente werden voraussichtlich die Untersuchungsausschüsse zum Atomskandal in Bonn, Wiesbaden und Brüssel beschäftigen. Aus einem internen Memorandum der U.S. Atomic Energy Commission (AEC) vom Januar 1970 geht hervor, daß Bonner Regierungsstellen und Brüsseler EG–Beamte schon bald nach dem Abschluß der Aktion über den legendären 200–Tonnen–Uran– Schmuggel im Bilde waren: Im Spätherbst des Jahres 1968 war der Frachter „Scheersberg“ mit dem Uran an Bord in Antwerpen mit Kurs auf Genua gestartet, dort aber nie eingetroffen. Als der Kahn Monate später wieder auftauchte, waren Kapitän, Mannschaft und Flagge ausgetauscht und die Fracht ebenso verschwunden wie die Seiten im Logbuch, die über den fraglichen Zeitraum hätten Auskunft geben können. . Der Deal, später von der Sicherheitsüberwachung der EURATOM entdeckt, ging als Plumbat–Affäre (mit der Aufschrift „Plumbat“, deutsch: Bleisatz, waren die Uran–Container zur Tarnung gekennzeichnet) in die facettenreiche Legenbildung um den israelischen Geheimdienst Mossad ein: Das Uran war nämlich auf mysteriösen Kanälen in Israels gegen alle internationalen Kontrollen streng abgeschirmtem Atommeiler Dimona gelangt. Nicht erst seit den Enthüllungen des vom Mossad dann entführten und inzwischen in Israel verurteilten ehemaligen Dimona–Technikers Vanunu gilt die unterirdische Atomanlage Experten als Geheimwerkstatt für die israelische A–Bombe. Bereits wenige Monate nach dem Verschwinden der „Scheersberg“, so enthüllen die AEC–Dokumente, wußte EURATOM über den gelungenen israelischen Coup ebenso Bescheid wie die Bundesregierung - und daß die Schlüsselfiguren (“key–parties“) Deutsche waren. Bonn hielt den Fall angesichts der damals äußerst brenzligen Situation im Nahen Fortsetzung auf Seite2 Osten unter der Decke: Konkret befürchtet wurde offenbar atomare Hilfestellung für arabische Staaten durch die UdSSR. Der israelische Botschafter soll damals in Bonn mit dem Rat vorstellig geworden sein, die Nachforschungen zu zügeln. Die Dokumente aus Washingtons Regierungsarchiven enthalten auch Hinweise darauf, daß es sich beim Plumbat–Coup nicht um den einzigen derartigen Fall gehandelt hat: So ist im erwähnten AEC–Memorandum von einem im letzten Moment vereitelten Transfer von 232 Kilogramm Natur– Uran die Rede. Der Eigentümer war in diesem Fall von der EURATOM–Sicherheitskontrolle zur Rücknahme des bereits verschickten Stoffes innerhalb von drei Tagen bewegt worden - „durch Druck, einschließlich Haftandrohung, was nicht ganz legal war,“ notierten die US–Atomiker damals. Am geplatzten Geschäft be teiligt: NUKEM Hanau.