Geiseln rechtzeitig zur Wahl in Paris

■ Alle französischen Geiseln im Libanon freigelassen / Gewaltsame Befreiung in Neukaledonien

Aus Paris Georg Blume

Unter dem Feuer der französischen Armee und einer Sondereinheit der Polizei starben in der Nacht zum Donnerstag mindestens 15 Kanaken, die seit dem 22. April in einem Versteck der kanakischen Befreiungsfront (FLNKS) auf Neukaledonien 23 französische Polizisten in Gefangenschaft hielten. Bei dem sechsstündigen Gefecht kamen auch zwei Polizisten ums Leben. Die Geiseln blieben unverletzt. Mit Zustimmung von Premierminister Chirac und Verteidigungsminister Giraud gab der französische Innenminister Charles Pasqua den Schießbefehl gegen die Kanaken wenige Minuten, nachdem er die französische Öffentlichkeit mit einer nationalen Glücksmeldung aus Beirut in Freudentaumel versetzte. Marcel Carton, Marcel Fontaine und Jean–Paul Kauffmann - die drei französischen Geiseln im Libanon - standen nach dreijähriger Gefangenschaft in den Händen der pro–iranischen islamischen Dschihad am Mittwoch abend wieder auf freiem Fuß. Die Bemühungen der Pariser Rechts– Regierung von Premierminister Chirac, in Verhandlungen mit Syrien, dem Iran und der Islamischen Dschihad die Freilassung der französischen Geiseln zu erreichen, wurden drei Tage vor dem zweiten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen von Erfolg gekrönt. Dem Regierungsduo Chirac– Pasqua gelang damit ein spektakulärer Doppelschlag. Doch zu welchem Preis? In Neu–Kaledonien rief FLNKS–Chef Jean–Marie Tjibaou bereits gestern zur „Generalmobilmachung“ der Kanaken auf, um der „kolonialistischen Herausforderung zu begegnen“. Während dessen sorgen sich die Außenministerien in Washington und London um die Art möglicher Eingeständnisse, die die Pariser Regierung ihren Verhandlungspartnern in Nahost eingeräumt haben könnte. Noch immer befinden sich fünfzehn ausländische Geiseln, darunter neun Amerikaner, zwei Briten und der Bundesdeutsche Rudolf Cordes in der Hand libanesischer Organisationen, auch der Dschihad. Vorbeugend leugnete Innenminister Pasqua am Donnerstag „jegliches Eingeständnis an die Terroristen“. Zuvor aber hatte Premierminister Chirac klargestellt, daß die Geiselbefreiung im Libanon nicht allein auf das Konto der französischen Regierung gehe. „Ich danke der iranischen Regierung für ihre Hilfe und ihre mehrfachen Interventionen“, sagte Chirac beim Empfang der befreiten Geiseln in Paris. Fortsetzung auf Seite 6 Kommentar auf Seite 4