„Die Antwort war immer Gewalt“

■ Gespräch mit dem Vertreter der FLNKS in Frankreich, Wassissi Lopue / „Mit Chirac ist keine Verständigung mehr möglich“ / Die Siedler drohen mit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung

Aus Paris Michael Thoss

Die Nachrichten über die Situation auf Ouvea entstammen Militärkommuniques, Journalisten erhielten noch keinen Zutritt. Über welche Informationen verfügen Sie in diesem Augenblick? Wassissi Lopue: Seit mehr als einer Woche hält die Armee Ouvea und das gesamte Stammesgebiet besetzt und evakuiert die dort ansässige Bevölkerung, um leichter intervenieren zu können. Dabei wurden unsere Dörfer teilweise zerstört, unsere Felder dienen als Landeplätze für die Armeehubschrauber, und in der Lagune Ouveas ankert die französische Kriegsmarine. Im Verhältnis zur Anzahl der Kanaken sind die französischen Militärs zehnmal stärker präsent als die Israelis im Gazastreifen. Dies alles, um die sogenannten Geiseln, die wir als Kriegsgefangene betrachtet und behandelt haben, rechtzeitig vor dem zweiten Wahlgang am Sonntag freizuschießen. Wie werden Sie auf das Massa ker an 18 Mitkämpfern reagieren? Unser politischer Vorstand hat alle Komitees aufgefordert, sich zu mobilisieren und Vergeltung für dieses unnütze Massaker zu üben. Jedes Komitee organisiert seinen eigenen Widerstand und wählt seine Mittel. So werden gerade wieder Straßensperren auf dem gesamten Gebiet errichtet. Immer mehr Kanaken, vor allem Jugendliche, sind bereit zu sterben, um die Ausrottung unseres Volkes zu verhindern. Ist ein Dialog mit der Chirac– Regierung die Sie als Terroristen behandelt, überhaupt noch möglich? Wir haben eine Zeitlang der sozialistischen Regierung vertraut, um gemeinsam einen Weg zur Unabhängigkeit zu finden. Seit 1986 wurden alle Vereinbarungen wieder zurückgenommen, jedesmal, wenn wir den Dialog suchten, hat die Chirac–Regierung mit Gewalt geantwortet. Wir haben daraus unsere Lehre gezogen. Mit der jetzigen Regierung ist keine Verständigung mehr möglich. Seit sie an der Macht ist, hat sie eine systematische Ausrottungspolitik gegen unser Volk betrieben. Das gestrige Massaker an 18 unserer Mitglieder folgt derselben Logik wie der Freispruch der Mörder von Hionghene, wo zehn Mitkämpfer hinterrücks ermordet wurden, darunter zwei Brüder unseres Führers Jean–Marie Tjibaou. Zuletzt wurden über 7.000 Bücher, Broschüren und audiovisuelle Dokumente öffentlich verbrannt, die Kultur und Geschichte unseres Volkes zum Thema hatten und anderen beweisen sollten, daß es uns noch gibt. Der Kandidat der Partei Chiracs, Jacques Lafleur drohte für den Fall einer Wiederwahl Mitterrands damit, einseitig die Unabhängigkeit auszurufen und die Kanaken mit einer Geheimarmee zu bekämpfen. Ist eine Versöhnung noch möglich? Wir möchten über unsere Zukunft selbst entscheiden. Die Franzosen können gehen oder bleiben. Wenn sie bleiben, sollen sie mit uns zusammenarbeiten, was wir in der Vergangenheit versucht haben. Zur Zeit investieren die bei uns lebenden Franzosen aber die hier gemachten Gewinne außerhalb Kaledoniens. Die meisten der seit Generationen Ansässigen stellen sich leider politisch auf ihre Seite, gegen uns, obwohl sie meistens Kleinbauern sind wie wir. Wir alle haben das Recht, in Neu–Kaledonien zu leben.