Neo–Kolonialismus a la Pons

■ Unter der Regierung Chirac verhärteten sich die Fronten in Neu–Kaledonien

Von Ulrich Delius

Berlin (taz) - Chirac hätte es eigentlich nicht nötig, sich heute mit Blutbädern und martialischen Erklärungen zur Neu–Kaledonien–Politik bei der extremen Rechten zu profilieren. Haben Chirac und sein Minister Pons doch seit ihrem Machtantritt im März 1986 systematisch die Rechte der Kanaken eingeschränkt und ihnen finanzielle Zuwendungen gestrichen (unter der vorangegangenen sozialistischen Regierung eingeläutete Reformen zugunsten der Urbevölkerung wurden rückgängig gemacht und die für die Unabhängigkeit kämpfenden Ureinwohner kriminalisiert). Offiziellen französischen Angaben zufolge stellen die Kanaken mit rund 65.000 Ureinwohnern 43 Prozent der Bevölkerung der Kolonie, die drittgrößter Nickelexporteur der Welt ist. Die Kanaken selbst beziffern ihren Bevölkerungsanteil höher. Im Fall einer Entkolonialisierung fürchtet Frankreich nicht nur die Vorkommen dieses strategisch wichtigen Metalls zu verlieren, sondern auch, daß es zu Unruhen in seinem Atomwaffentestgebiet in Französisch–Polynesien kommen könnte. Nach 130 Jahren der Kolonisation, des Landraubes und der Zwangsumsiedlung in Reservationen machten die Kanaken im November 1984 mit einem spektakulären Boykott der Wahlen zum Territorialparlament auf ihre Forderung nach Gründung eines unabhängigen Staates Kanaky aufmerksam, nachdem die französwischen Sozialisten von der zuvor versprochenen Entkolonialisierung Neu–Kaledoniens nichts mehr wissen wollten. Mit Straßenspe dezentralisierte die Verwaltung, so daß drei von vier Regionen der Kolonie von Kanaken selbstverwaltet wurden. Nach der Niederlage der Sozialisten im März 1986 betrieben die Gaullisten eine Politik des Neukolonialismus in Neukaledonien. Das bereits aufgekaufte Land wurde an Europäer umverteilt. Den von Kanaken verwalteten Regionen wurden die finanziellen Zuwendungen gesperrt. Verstärkt wurde Militär zur „Befriedung“ der Ureinwohner, wie auch während des Algerienkriegs eingesetzt. Nach einer äußerst umstrittenen Volksabstimmung über die Zukunft der Insel am 13.9.1987 (41 Prozent der Bevölkerung gingen nicht zu den Urnen, 98 Prozent der Abstimmenden votierten für ein Verbleiben bei Frankreich) sah Pons die Zeit gekommen, um die Regionen zugunsten der Kanaken umzustrukturieren, ihre Kompetenzen zu beschränken und verschiedene Gesetzesvorschriften, die das traditionelle Recht der Ureinwohner berücksichtigen, abzuschaffen. Derzeit bereitet sich eine pogromähnliche Stimmung in der Kolonie aus. Französische Gendarme fühlen sich durch die Geiselnahme gedemütigt und verwüsten Felder auf der Insel Ouvea. Zwar hat Mitterrand angekündigt, daß er im Falle seines Wahlsieges auf der sofortigen Entlassung von Pons bestehen wird, doch deutet nichts darauf hin, daß er sein Versprechen einlösen wird.