Israel geht gegen gewaltfreien Widerstand vor

■ Der Gründer des „Zentrums für gewaltlosen Widerstand“ - ein Araber mit US–Paß - wurde in Abschiebehaft genommen / Begründung: Kontakte zu verbotenen Organisationen / Gegenseitige Schuldzuweisungen im israelischen Kabinett nach der Maidun–Operation

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der israelische Premierminister Shamir, der zugleich auch als Innenminister auftritt, hat am Donnerstag abend einen Ausweisungsbefehl gegen den US–Bürger palästinensischer Abstammung Mubarak Awad unterschrieben. Awad wurde in der Nacht zum Freitag verhaftet und soll am Sonntag in die USA ausgewiesen werden. Er ist der Gründer und Leiter des „Zentrums für gewaltlosen Widerstand“ in Jerusalem, dessen Aufrufe zu zivilem Ungehorsam gegen die Besatzungsmächte teilweise von der Intifada, dem Aufstand in der Westbank und im Gaza–Streifen, übernommen wurden. Schon im August letzten Jahres war Awad die Aufenthaltserlaubnis entzogen worden. Der damalige Ausweisungsbefehl wurde allerdings nicht vollzogen, nachdem die US–amerikanische Botschaft dagegen protestiert hatte. Zur Begründung der jetzigen Ausweisung, gegen die Awad vor dem Obersten Gericht in Jerusalem Einspruch einlegen kann, hieß es aus Regierungskreisen, Awad hätte Beziehungen zu verbotenen Organisationen aufgenommen. Beobachter sehen in der Maßnahme einen weiteren Versuch der Regierung, durch Verhaftungen und Ausweisungen den Aufstand der Palästinenser zu schwächen. Gestern wurden wiederum zwei Journalisten, die jüdische Redakteurin Hadas Lahav von der Zeitschrift Nizzos und der arabische Verlagsleiter Elias Zaniri von der Wochenzeitung Al–Awdah, verhaftet. Die inzwischen beendete israelische Invasion im Südlibanon, bei der 40 schiitische Hizbollah– Angehörige und drei israelische Soldaten umgekommen waren, hat bis in Regierungskreise hinein heftige Kontroversen in Israel ausgelöst. Weil - nach einem alten hebräischen Sprichwort - der Erfolg zwei Väter hat, während der Mißerfolg zur Waise wird, weisen sich die Minister der Koaltion gegenseitig Schuld und Kritik zu. Minister der Arbeiterpartei warfen ihrem Parteikollegen Verteidigungsminister Rabin vor, er habe während der Militäroperation mit dem Code–Namen „Ge setz und Ordnung“ Entscheidungen getroffen, ohne das Kabinett zuvor zu unterrichten. So sei es nicht geplant gewesen, bis in unmittelbare Nähe der syrischen Stellungen im Libanon vorzurücken und eine kriegerische Auseinandersetzung mit Syrien zu riskieren. Der Zweck der Invasion habe auch nicht darin bestanden, die schiitische Hizbollah anzugreifen, sondern palästinensische Kommandos abzufangen. Dieses Ziel aber sei völlig verfehlt worden. Statt dessen habe das mehrstündige Gefecht mit der Hizbol lah in der Ortschaft Maidun diese radikale Organisation gegenüber den moderaten Amal–Milizen moralisch und politisch gestärkt. Angriffe der Hizbollah gegen Israel seien nun wahrscheinlicher geworden. Nach Berichten von Beobachtern erklärte ein Minister der Arbeiterpartei, dies sei der „Weg zur Militärdiktatur“ in Israel. Ministerpräsident Shamir hat Rabin in Schutz genommen und betonte, daß er zu jeder Zeit über die Schritte der Truppen während der Invasion informiert gewesen sei. Mitglieder des Likud– Blocks warfen der Arbeiterpartei vor, die „Nation zu spalten und die militärische Kraft Israels zu untergraben“.