König ohne Versprechen

■ Zur Wahl von Franois Mitterrand

Vielversprechendes klingt aus Frankreich herüber. Niemals zuvor war dort die Linke so stark, nie die Rechte so schwach. Einem Franois Mitterrand haben die Franzosen ihr Vertrauen geschenkt, keinem US–Schauspieler, keiner eisernen Lady und keiner volkstümlichen Witzfigur. Europa bleibt der letzte große Nachkriegspolitiker unserer Zeit erhalten. Noch haben die Technokraten nicht überall gesiegt. Doch der Wahlausgang verschleiert die Krise der französischen Linken. Anders als 1981, als sich die Franzosen mit der Wahl Mitterrands für ein umfangreiches soziales Reformprogramm aussprachen, ließen sie in diesem Jahr einen König auf seinem Thron gewähren, ein König, der ihnen nichts zu versprechen hatte, der ihnen zuletzt nichts geboten hatte außer einem staatskünstlerisch perfekt inszenierten Machtspektakel. Taktisch hat Mitterrand die Wahl gewonnen, allein die Taktik wird in den nächsten sieben Jahren den Thron nicht sichern. Frankreich im Mitterrand–Zeitalter droht weiter nach rechts zu kippen. Das rechtsradikale Gewitter ist bereits aufgezogen. Die Mitte–Links–Regierung, die Mitterrand plant, verspricht für Le Pen gute Chancen in der Zukunft. Den Gewerkschaften und der kommunistisch–linksalternativen Opposition aber wird es weiterhin schwerfallen, neben den Sozialisten Spielraum zu gewinnen. Die soziale Apathie, aus der das Land befreit werden muß - will es das Gewitter überstehen - droht anzudauern, während die Klassengegensätze in der Gesellschaft immer weiter auseinanderklaffen. Schon hatte sich Frankreich auf dem Weg ins US–amerikanische Zweiparteiensystem gewähnt. Le Pen dementierte. Franois Mitterrand wird seinen Thron verlassen müssen, um zu kämpfen, will er seine Verfassungsaufgabe erfüllen. Der französische Präsident ist der „Garant der Republik“, auf deren Fahnen geschrieben steht: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“. Georg Blume