Berliner Staatsanwaltschaft mißbraucht U–Haft

■ taz–Redakteur Wiglaf Droste seit zehn Tagen in Haft / Offensichtlich soll an ihm und den sechs weiteren Inhaftierten ein Exempel statuiert werden / Abschreckungstaktik der Staatsanwaltschaft bisher vor den Gerichten gescheitert

Aus Berlin Plutonia Plarre

Daß Berlins politische Staatsanwaltschaft die Untersuchungshaft zur Abschreckung und vorweggenommene Strafe gegen Krawall– Beschuldigte mißbraucht, war schon nach den Kreuzberger Mai Unruhen vom vergangenen Jahr offenkundig geworden. Ungehindert dessen, daß die Gerichte im Zusammenhang mit den vorjährigen Krawallen kaum Haftstrafen ohne Bewährung verhängten und daß sich kein Beschuldigter der damals Haftverschonung bekam, seinem Prozeß durch Flucht entzog, kommt dieselbe Strategie nach den diesjährigen 1.–Mai–Krawallen erneut zum Tragen: Sieben von 134 Leuten, die vergangene Woche festgenommen wurden, wanderten aufgrund hanebüchener Begründungen der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft. Unabhängig davon, ob sie ein, zwei oder drei Steine geworfen haben sollen und sie einen festen Wohnsitz und/oder Arbeitsplatz haben, heißt die Begründung für die U–Haft bei allen sterotyp: Fluchtgefahr wegen der Höhe der zu erwartenden Strafe. Einer der Beschuldigten in Haft ist der taz– Redakteur Wiglaf Droste. Ihm wird vorgeworfen, einen Stein geworfen zu haben, und das von einem Staatsanwalt, der normalerweise die presserechtlichen Ermittlungsverfahren gegen die taz bearbeitet und sich darüber hinaus als Hardliner in Krawallprozessen zu profilieren sucht. Bislang vergeblich, mußte er doch unlängst für einen maßlosen Strafantrag von drei Jahren und zehn Monaten Haft für sechs Steinwürfe erleben, wie das Gericht „nur“ ein Urteil mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe aussprach. Der Eindruck, daß an Droste, dessen sofortige Freilassung jetzt von der Deutschen Journalisten Union gefordert wurde, von der politischen Staatsanwaltschaft aufgrund seiner taz–Tätigkeit ein Exempel statuiert werden soll, drängt sich auf. Abgesehen davon ist Droste jedoch nur nur einer von vielen Krawallbeschuldigten, die mit fadenscheinigen Begründungen in U–Haft mußten. Wie bei Droste wird die Fluchtgefahr immer wieder damit begründet, daß keine feste Meldeanschrift vorliegt, obwohl die Beschuldigten sich nachweisbar ständig in einer festen Wohnung und auch über ihren Arbeitsplatz erreichbar sind. Aber auch eine Meldanschrift schützt vor der unerbittlichen Strafverfolgung nicht, wie an den Beispielen der in diesem und im Vorjahr Inhaftierten offenkundig wird. Im vergangenen Jahr mußte ein Student aus Frankfurt, der seine Wochenendreise nach Berlin mit einem Flugticket belegen konnte, aufgrund der Beschwerde der Staatsanwaltschaft in U–Haft bleiben, weil er sich „während des laufenden Semesters“ in Berlin aufgehalten habe. Bei einem anderen Studenten, der in einer Wohngemeinschaft lebt, wurde mit der Begründung Haftfortdauer beantragt, er könne weder „eine Eigentumswohung noch ein eigenes Haus“ als Sicherheitsgarantie für einen festen Wohnsitz vorweisen. G A S T K O M M E N T A R