Diplomatisch auswechseln

■ Unterhalb des Kabinetts bleibt Schleswig–Holstein noch schwarz

Nur langsam pirscht sich die SPD in Kiel an die Regierungssessel heran. Gestern tagte der Landesvorstand, heute soll die neue Fraktion ihren bisherigen parlamentarischen Geschäftsführer Gert Börnsen als Nachfolger Engholms zum Fraktionsvorsitzenden wählen. Danach ist über Himmelfahrt erst mal ein sehr langes Wochenende eingeplant. Nicht nur physische Erschöpfung ist der Grund für diese Gemächlichkeit. Die SPD will sich auch erst überlegen, wie sie diplomatisch mit dem schwarzen Staatsapparat klarkommen kann. Denn schon 1955, zwei Jahrzehnte vor Barschels programmatischer Forderung nach „geräuschloser“ Personalpolitik mit „CDU–Freunden“, hatte Gerhard Stoltenberg als damals jüngster Landtagsabgeordneter „eine im Sinne der CDU gesteuerte bessere Personalpolitik“ haben wollen. Und er hat sie elf Jahre lang als Ministerpräsident durchgesetzt, bis er 1982 von Barschel abgelöst wurde. Die Personalunion zwischen CDU und Kapital bleibt auch weiterhin bestehen. Finanzminister Roger Asmussen, der dem neuen Landtag nicht mehr angehört, geht zurück auf seinen Posten als Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Westküste. Ein anderer Mächtiger aus der Barschel–Zeit, Finanzstaatssekretär Carl Hermann Schleifer, bekommt noch Machtzuwachs, indem er Hauptgeschäftsführer aller schleswig–holsteinischen Unternehmensverbände wird. Damit die unmittelbare Wirtschaftsvertretung im Parlament nicht personell ausblutet, ist Klaus Haller, der Pressesprecher der Unternehmensverbände, über die CDU–Liste in den Landtag aufgerückt. Die Landesbank wird vom ehemaligen CDU–Finanzminister Gerd Lausen geführt, die Wirtschaftsaufbaukasse von Otto Bernhardt (CDU– Kreisvorsitzender Rendsburg), die Landesgarantiekasse vom ehemaligen CDU–Abgeordneten Klaus Köberle, die Wohnungsbaukreditanstalt vom ehemaligen Christdemokratischen Landrat Gernot Korthals. Die Landesgesellschaft (sie kauft Land auf Vorrat) hat den ehemaligen CDU–Landrat Freiherr von Gayl zum Chef. Die Datenzentrale des Landes, die Landratsämter der Kreise Ostholstein, Schleswig–Flensburg, Pinneberg, Steinburg und die Zulassungsbehörde für Privatfunk und -fernsehen werden von Leuten dirigiert, die unter Stoltenberg und Barschel in der Staatskanzlei gedient haben. Ehemalige CDU–Assistenten und Parteigänger haben die Landwirtschaftskammer, die Landeszentrale für politische Bildung und das Landesarbeitsamt unter sich. Insgesamt werden neun von elf Landkreisen von CDU– Männern geführt, die noch bis in die 90er Jahre „ihren Beritt“, wie sie sich gern ausdrücken, unter der Fuchtel halten. Außer den Staatssekretären kann Engholm nur wenige politische Beamte mit einem Ruck auswechseln - so den Verfassungsschutz–Abteilungsleiter im Innenministerium. Ein großer Teil wird mühsam und teuer wegbefördert und versetzt werden müssen, um Platz zu schaffen für SPD–Genossen und Experten, denen die SPD vertraut. Im Funkhaus Kiel des Norddeutschen Rundfunks wird heute auf einer Sitzung in Hamburg begonnen, den dominierenden Schwarzton im Proporz rot anlaufen zu lassen. Jörg Feldner